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Die Liebe, der Regen und der Tod – Leseprobe

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I

Drei Tage nach der Geburt ihres ersten Kindes lag Rachel bleich und tot in ihrem Bett, und der Arzt schüttelte nur den Kopf, als Thomas ihn fragte, warum seine Frau gestorben war. So blieb ihm nur, der Toten einen Besuch abzustatten und sie um Vergebung zu bitten, daß er sie zweimal in den letzten Ta- gen im Stich gelassen hatte. Denn allein war Rachel zum Krankenhaus gefahren, um ihren Sohn zur Welt zu bringen, weil Thomas auf den Weiden nach dem Vieh sah, das wegen des Dauerregens im Schlamm zu versinken drohte. Allein war sie auch gestorben, innerhalb weniger Stunden und ohne viel Aufhebens, so wie es ihre Art war, während Thomas bei sei- nem Freund Seamus saß, dessen Haus so abgelegen war, daß kein Unternehmen ein Telefonkabel dorthin verlegt hätte.

Seltsam leicht stand er jetzt dem Leichnam seiner Frau ge- genüber, den man in eine eilig hergerichtete Kammer gebracht hatte, weil der Virus auf seinem Weg über die Insel so viele Opfer zurückließ, daß man nicht alle in einer Kapelle aufbah- ren konnte. Und die Leichenkeller der Krankenhäuser waren seit Wochen überfüllt.

Nur das Blut in seinem Kopf hämmerte in die Stille, als er auf den toten Körper blickte, den man auf einen langen Reso- paltisch gelegt hatte, mit einem weißen Tuch nur notdürftig bis über die Brust zugedeckt. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, das Stück schmutzigen Verbands zu entfernen, mit dem man der Toten das Kinn hochgebunden hatte. Ein Faden eitrigen Schleims in ihren Mundwinkeln war getrocknet zu ei- ner gelbgrün schimmernden Spur des Verfalls, aber ihr Ge- sicht zeigte kein Zeichen des Aufbegehrens gegen den Tod. Eher überrascht sah sie aus, jetzt sterben zu müssen, nachdem sie doch eben erst ein Kind geboren hatte. Und spöttisch sah sie aus, so wie sie immer ausgesehen hatte, wenn Thomas ihr versichert hatte, wie sehr er sie liebe.

Vielleicht hatte sie sich über die Krankenschwestern lustig machen wollen, von denen sie wußte, daß sie in ihre toten Hände einen Rosenkranz legen würden, obwohl keiner sich er- innern konnte, daß sie seit ihrer Hochzeit jemals wieder eine Kirche betreten hätte.

Es war etwas anderes als Trauer, was Thomas empfand, als er Rachel in dieser schäbigen Kammer liegen sah, mehr ab- gestellt als aufgebahrt. Es war der Schrecken über die plötz- liche Nähe des Todes, der in diesen Tagen so viele dahinraffte, aber niemals so junge Menschen, sondern gebrechliche Alte, deren Körper der Influenza keinen Widerstand mehr ent- gegensetzen konnten.

Ratlos stand er am Fußende und musterte Rachels Gesicht, das durch den Schein zweier Kerzen warm und lebendig wirk- te. Ein paar Mal strich er sich nervös durch das Haar und nick- te schließlich erleichtert, als plötzlich eine stämmige Kranken- schwester mit einer Nierenschale in den Händen in der Kam- mer stand und nach ein paar Worten des Beileids den Kopf seiner Frau von der Kinnbinde befreite. Als dann die Schwes- ter das Leintuch glattstrich und den Rosenkranz in den Hän- den der Toten neu ordnete, öffneten sich die Lippen von Ra- chel und es sah aus, als wolle sie Thomas einen Ab- schiedsgruß zurufen. Aber es war nur eine kurze Bewegung des Kinns, das, vom Druck der Binde entlastet, nach unten sackte, um dann in endgültiger Starre zu verharren. Ohne auf die Schwester zu achten, verließ Thomas die Kammer. Bevor er die Tür hinter sich schloß, warf er einen letzten Blick auf die Tote und bekreuzigte sich, so wie er es als kleiner Junge gelernt hatte.

Wütender Regen empfing ihn vor dem grauen Portal des Krankenhauses, in dem sein Sohn jetzt nicht an der Brust sei- ner Mutter lag und durch den gleichmäßigen Schlag ihres Her- zens auf das Leben eingestimmt wurde. Ohne die klat- schenden Tropfen zu beachten, die Blasen auf dem Asphalt warfen und große, schimmernde Pfützen auf dem Parkplatz gebildet hatten, ging Thomas langsam auf seinen Wagen zu. Als er den alten Landrover erreicht hatte, sah er, daß er das Seitenfenster offen gelassen hatte. Gleichgültig schloß er auf, trocknete den nassen Sitz und das Lenkrad mit seinem Mantel, den er dann zu einem Bündel zusammenknüllte und auf den Rücksitz warf. Eine Bö drückte Regen durch das immer noch offene Fenster, als er den Wagen anließ und das vertraute Na- geln des alten Diesels erklang. Verärgert schloß er mit seiner Rechten das Fenster und ließ gleichzeitig die Kupplung etwas zu schnell kommen. Mit einem jähen Satz schoß der Wagen rückwärts, und beinahe hätte er einen streunenden Hund über- fahren, der völlig durchnäßt hinter seinem Wagen herum- lungerte. Mit der Hupe vertrieb er das verängstigte Tier und fuhr dann mit durchdrehenden Reifen los.

Nach wenigen hundert Metern konnte er kaum noch etwas erkennen, so sehr waren die Scheiben beschlagen. Während er einem Paar in schwarzer Kleidung, das sich unter einen Schirm duckte und in Richtung Krankenhaus ging, auswich, wischte er mit einem Hemdsärmel ein Stück frei, gerade so viel, um zu sehen, wohin er fuhr. Selbst auf höchster Stufe schaffte es das Gebläse des Wagens nicht, mehr als einen Streifen, etwa so breit wie eine Hand, freizuhalten.

Viel zu schnell fuhr er die abschüssige Straße zum Dorf, und auch in den engen Gassen bremste er nicht ab. Erst als die Häuser im Rückspiegel immer kleiner wurden, ließ das Zittern

seiner Hände leicht nach. Langsam lockerte er den Griff um das Lenkrad, mit dem er seine Finger beruhigt hatte. Allmäh- lich ging das dumpfe Gebrüll des Motors in ein gleich- mäßiges, sonores Brummen über. In das Entsetzen über Ra- chels Tod mischte sich jetzt Wut. Wut darüber, daß sie einfach gestorben war und ihn alleingelassen hatte mit einem Kind. Mit der ganzen Arbeit. Mit seinen Eltern und dem großen Haus. Wut, die zumindest ein wenig von dem Entsetzen bann- te, das ihr Anblick bei ihm ausgelöst hatte.

Schneller als gewohnt kam er heute voran, weil bei diesem Regen niemand freiwillig vor die Tür ging. Nur einmal mußte er bremsen, als zwei große Lastwagen zu den Gebäuden mit den verspiegelten Fassaden abbogen, die neuen Wohlstand und neue Menschen in das Dorf gebracht hatten. Selbst auf der Schnellstraße war kaum Verkehr, weil die vielen Über- schwemmungen die übliche Geschäftigkeit allmählich zum Erliegen brachten.

Grauer Nebel hing über dem Fluß und an den Flanken der beiden Berge, die hier in der Gegend die „Zwei Schwestern“ genannt wurden. Er verhüllte die kahlen Gipfel und die un- gewohnte Fruchtbarkeit an ihren Hängen, die der unmäßige Regen mit sich gebracht hatte. Noch wenige Tage, und der Fluß würde nach den Feldern auch die Straße über- schwemmen. Wer immer dann in das Tal hinter den „Zwei Schwestern“ wollte, müßte den beschwerlichen Fußmarsch über die Berge auf sich nehmen. Der Fluß hatte sich bereits in einen gefährlichen Strom verwandelt und an der engsten Stel- le, die gerade noch Platz für die Straße ließ, leckte das Wasser bereits auf den grauen Asphalt. Weiße Fontänen spritzten zu beiden Seiten des Wagens auf, als Thomas die tiefste Stelle passierte. Langsam stieg die Straße dann die Hügelkette an, und als er die ersten Häuser erreichte, lag der Fluß im Tal und bot ein friedliches Bild.

Mattgelbes Licht drang aus den Fenstern der vereinzelten Gebäude, die die Straße säumten. Der Geruch von Regen und Torf mischte sich mit dem beißenden Gestank von Kohlen- feuer. Die Straße war leer, und auch bei den Häusern war nie- mand zu sehen. Wer es sich erlauben konnte in diesen Tagen, mied aus Angst vor Ansteckung jeden Kontakt mit anderen Menschen.

Nach wenigen Minuten erreichte er die sanfte Anhöhe, auf der sein Elternhaus lag. Der Putz der Mauer, die das riesige Grundstück umgab, sah im Regen noch brüchiger und schmut- ziger als aus sonst. An einigen Stellen schien das Mauerwerk in den letzten Tagen neue Risse bekommen zu haben. Das ei- serne Tor war offen wie immer. Weil es nicht mehr ge- schlossen worden war, solange Thomas zurückdenken konnte, war es in den Angeln festgerostet. Kies spritzte zur Seite, als Thomas die Auffahrt zum Haus hochfuhr. Die Löcher, nur not- dürftig mit Erde und Steinen gefüllt, schüttelten den Wagen wild durcheinander. Vor dem Haus hinterließen die Reifen eine tiefe dunkle Spur in dem sauber gewalzten Schotter, als Thomas bremste.

* * *

In ihrem Büro nahm sie die sauber geschriebene Liste der eingegange­ nen Telefonate von ihrem Schreibtisch, und für den Rest dieses Montags versteckte sie die Angst vor der absehbaren Überraschungslosigkeit ihres Lebens zwischen Telefonaten und zähen Verhandlungen, zwischen beru­ higender Routine und entspanntem Geplauder bei einer Tasse Tee, den Liz, ihre Sekretärin, immer unaufgefordert servierte, wenn die Tasse mal wieder leer war.

Erst am Abend, erst nachdem sie unter einem wolkenverhangenen Himmel nach Hause gefahren war, zerbrach der Betrug, als sie die Tür aufschloß, weil sie in ihrer Wohnung keine Verstecke wußte und auch keine fand in ihrer Erschöpfung. Achtlos streifte sie ihre Schuhe ab und lief auf nackten Füßen durch die dunkle Diele, die nicht zu einer Woh­ nung führte mit Erinnerungen an eine Vergangenheit und Hoffnungen für eine Zukunft, sondern in eine Herberge, nicht mehr als ein Dach über dem Kopf, gut genug für eine Gegenwart von ungewisser Dauer, meist nicht mehr als die Stunden ihres Schlafs.

Nomaden wir sind Nomaden hochbezahlte Nomaden die ihr Segel set­ zen in einen Wind den keine Sonne gemacht hat und keines der Meere wir schlagen unsere Zelte auf und brechen sie wieder ab und treiben um­ her ohne Kompaß und Lot auch die Sonne bietet keine Orientierung nur Börsenkurse und Bilanzen aber die Ekstasen des Geldes bleiben uns ver­ wehrt wir sind nur Diener heimatlose Diener die ihre Zeit verkaufen auf einem launischen Markt den keiner kennt keiner weiß wo er veranstaltet wird und wann klaglos folgen wir an jeden Ort keiner fragt nach unseren Wünschen aber ich

Als sie die Tür zu ihrem Wohnzimmer öffnete, schlug ihr die aufge­ räumte Stille ins Gesicht, und sie brauchte eine Minute, bis sie sich da­ von erholt hatte. Erst als die Fernsehbilder ihr Gesellschaft leisteten, setzte sie sich in den Sessel unter dem Fenster und vergaß ihren Hunger, weil schöne junge Menschen tonlos Liebe spielten in dem gewölbten Viereck ihr gegenüber in der anderen Ecke des Raums.

* * *

Eine Viertelstunde ließ Thomas verstreichen, nachdem Helen im Haus verschwunden war. Dann erst stieg er aus dem Wagen, den er so geparkt hatte, daß Helen ihn nicht sehen konnte, weil er unbedingt den Eindruck vermeiden wollte, als hätte er auf sie gewartet. Eher beiläufig sollte sein

Besuch wirken, zufällig wie ein spontaner Einfall. Und doch schwitzten seine Hände so stark, als er auf die Klingel drückte und auf das Schnar­ ren des Türöffners wartete, daß das Seidenpapier um die Flasche Wein, die er zwei Stunden zuvor gekauft hatte, ganz dunkel vor Nässe war.

Anderthalb Stunden hatte er gewartet und zugesehen, wie das Port­ weinrot des Abendhimmels vom Bleigrau einer Regenfront beiseite ge­ schoben wurde. Nur unter einem Vorwand war es ihm gelungen, Cal­ lahan die Arbeit im Stall aufzuhalsen, um so früh wie möglich von zu Hause wegzukommen.

Vorsichtig sah er sich um, während die Sekunden sich zu kleinen Ewig­ keiten dehnten. Das durchlässige Grau der Dämmerung sammelte sich in den Straßen. In den Häuserecken abseits der Straßenlaternen dickte es ein zum undurchdringlichen Schwarz der Nacht. Niemand war jetzt noch unterwegs. Vor dem erwarteten Gewitter waren alle geflüchtet. Nur von Finnis’ Pub auf der anderen Seite der Kreuzung trug der aufkommende Wind hin und wieder Fetzen von Musik und ein unverständliches Durch­ einander von Männerstimmen herüber.

Endlich sprang die Tür auf, als Thomas schon überlegte, ob er ein zweites Mal klingeln sollte. Oder ob es nicht besser wäre, zu verschwinden, den Abend in der Railway Bar zu verbringen und später bei Helen anzurufen, Hallo, ganz beiläufig, ich bin hier, wollen wir uns sehen, hast du Zeit, willst du in die Bar kommen auf ein Glas, oder soll ich . . .?

Aber jetzt war die Tür offen und schwang einige Zentimeter in den dunklen Flur, und Thomas packte die Flasche fester und trat ein. Er such­ te nicht nach dem Lichtschalter, weil in dem Augenblick ein schmaler Streifen Licht die Treppen herunterfiel, gerade genug, daß er den Weg fand und nicht über eine Stufe stolperte. Das nervöse Pulsen in seinem Hals gab den Takt vor, aber seine Schritte wollten dieser Melodie nicht folgen. Auf dem Absatz sah er Helen als Scherenschnitt in dem erleuch­ teten Türrahmen stehen, sie hatte sich umgezogen, irgend etwas Wei­ ches, Bequemes, das über die Knie reichte. Jetzt konnte er nicht mehr zu­ rück, darum stieg er auch die letzten Stufen empor, und als er oben war, konnte er auch ihr Gesicht erkennen, das von dem dünnen Licht einer nackten Birne in ihrem Rücken nur dunkel ausgeleuchtet war. Er wollte schon auf sie zugehen, ihre Augen sagten, Komm herein, er suchte nach den Worten, die er sich zur Begrüßung zurechtgelegt hatte, aber ihr Mund sagte, Habe ich dich jetzt jeden Abend am Hals, da packte er die Flasche noch fester und er hörte, wie seine Stimme aus weiter Ferne sagte, Ich dachte, ich weiß nicht, wir . . .

Aber da liefen seine Beine schon wieder die Treppe hinunter und der Rest kam irgendwie hinterher. An der Tür war alles wieder richtig zu­ sammengesetzt, der Leib und die Beine und der Kopf, und die Arme wa­ ren an der richtigen Seite festgenietet, er hörte, wie oben die Tür schlug, dann gingen seine Beine ins Freie, dicke Tropfen fielen mit einem schmatzenden Geräusch vereinzelt, dann immer dichter, und als er im Wagen saß, verlief sich ein Donner in den Straßen und versandete in Steingärten vor trübe erleuchteten Fenstern.

Sein Gesicht brannte wie Feuer, seine Zunge war steif wie ein frisch gestärktes Handtuch, der trockene Schwamm seines Gehirns verlangte nach Alkohol, um die Scham zu lindern, die brennende Demütigung ver­ gessen zu machen. Bis seine Hände sich beruhigt hatten, wartete er in der blöden Hoffnung, daß alles nur ein dummes Mißverständnis war, daß Helen aus der Tür gelaufen käme und ihn mit einem Lächeln einlud, die Nacht mit ihr zu verbringen. Oder wenigstens den Abend.

Aber Helen kam nicht, auch nicht, als seine Hände sich längst beruhigt hatten. Thomas startete den Wagen und fuhr los.

* * *

Als er die eisenbeschlagene Tür der Railway Bar aufzog, riß er eine Wolke Rauch ins Freie, die bis zur Sättigungsgrenze mit lauwarmem Bierdunst und hallenden Männerstimmen angereichert war. Verspätete schwere Tropfen schlugen senkrecht durch diese Wolke und hinterließen Einschußkanäle mit samtigen Rändern, die sich sofort wieder schloßen, bis eine verirrte Bö das zittrige Gespinst vertrieb, während das Gewitter längst weitergezogen war und jetzt jenseits des Dorfes auf Feldern und Wiesen niederging.

Erleichtert tauchte Thomas in das trübe Halbdunkel, in den Kokon aus Gerüchen und Geräuschen, aus dem einzelne Stimmfäden sich lösten, die ihn etwas scheu, aber freundlich begrüßten, den Witwer, wie er sich einen Weg bahnte zur Theke.

Der alte McDermott brach mitten in einem Satz ab und machte unaufg­ efordert Platz, als er Thomas entdeckte. Mit einem kurzen Nicken bedankte sich Thomas und klopfte zur Begrüßung mit der flachen Hand auf die stählerne Theke.

„Thomas“, sagte Bill, der Wirt, und polierte weiter Gläser.

„Bill“, sagte Thomas, „einen Doppelten. Wo ist denn Maggie?“

„Hinten in der Küche.“

Aus einer Schar penibel aufgereihter Gläser nahm Bill eines willkürlich heraus, prüfte es noch einmal unter Licht und stellte es vor Thomas auf die Theke. Aus einer fast vollen Flasche goß er das Glas bis über die Hälfte voll.

„Laß die Flasche hier“, unterbrach Thomas ihn, als Bill den Whiskey zurück ins Regal stellen wollte.

„Wie du meinst“, antwortete Bill gleichgültig. Aber Thomas spürte, wie ein besorgter Blick ihn kurz streifte.

„Keine Angst, Bill, ich zahle schon“, sagte Thomas leicht gereizt.

„Das weiß ich“, gab Bill zurück, „aber du trinkst eine ganze Menge in letzter Zeit. Zu viel, wenn du mich fragst.“

„Dich fragt aber keiner“, sagte Thomas und nahm die Flasche und das Glas.

„Du mußt es wissen“, sagte Bill und zuckte mit den Achseln.

Ohne Bill weiter zu beachten, nahm Thomas die Flasche und das Glas und ging durch den langgezogenen Raum. Wer ihn rechtzeitig entdeckte, machte mit einem verlegenen Lächeln Platz. Alle anderen, die er mit sanftem Druck zur Seite schob, entschuldigten sich kurz, ohne ihn anzu­ sehen, und nahmen erst nach einer Pause das Gespräch wieder auf. Am anderen Ende des Raums, das von einem Billardtisch beherrscht wurde, setzte Thomas sich auf eine Fensterbank und goß das Glas ganz voll. Hastig trank er einen großen Schluck. Spieler mit ihren Queues in den Händen umstanden das leuchtend grüne Rechteck und rätselten in sich versunken über den Weg, den die weiße Kugel zu nehmen hatte für den Erfolg. Wenn es einem gelang, die Kugel auf eine unvorhersehbare Bahn zu schicken, über mehrere Bande ans Ziel, wenn die weiße die schwarze nur knapp verfehlte, dafür eine grüne oder rote so präzise traf, daß sie lautlos in das Netz an den Ecken oder in der Mitte fiel, murmelten sie anerkennend und versanken sofort wieder in ihre Konzentration, die jede neu entstandene Unordnung der glänzenden Kugeln von ihnen forderte. Wer an der Reihe war, hielt mit seinem Queue die vergnügten Trinker im vorderen Teil der Schankstube auf Distanz. Nur Thomas und ein Unbekannter, der den Geldspielautomaten an der Wand immer wieder mit silbernen Münzen fütterte, leisteten den Billardspielern Gesellschaft. Und in der gegenüberliegenden Ecke saß Dylan, das erwachsene Kind mit den großen Händen und den leeren Augen, und beobachtete den einsamen Spieler am Automaten mit immer offenem Mund, aus dem dünne Speichelfäden liefen über das Kinn.

Als der Automat dem Drängen des Spielers endlich unterlag und alle Münzen wieder zurückgab als Hauptgewinn, wahrscheinlich viel mehr, als er verspielt hatte, weil er mit beiden Händen das Geld in die Hosenta­ schen schaufelte, daß die sich dick beulten, da lachte Dylan laut auf und klatschte voll neidloser Freude in die Hände und schaukelte wild vor und zurück. Die eine Münze, die der Unbekannte hatte fallen lassen beim Verstauen des unerwarteten Schatzes, hob er mit einer schnellen Bewe­ gung auf und warf sie Dylan zu, der sie mit der blitzartigen Gewandtheit eines träge dösenden Tieres fing, das Beute in seiner Nähe wittert oder Gefahr. Glücklich grinste der Junge das Metallstück an, und als der Fremde ging, stand er auf und folgte ihm mit seinen schleppenden Schritten wie ein zahmes, zutrauliches Haustier, das nicht vergißt, wer gut zu ihm war. Als er Thomas entdeckte, ließ er den Wohltäter ziehen und blieb stehen vor dem vertrauten Gesicht.

„Guck mal, Thomas“, sagte er mit seiner monotonen Stimme, die alle Kraft verbrauchte beim Sprechen. „Geld. Ich kauf mir was.“

„Steck das Geld weg, Dylan, und setz dich zu mir“, antwortete Tho­ mas, „ich gebe dir einen aus.“

„Wirklich? O ja! Ja!“

Dylan lehnte sich gegen den Heizkörper neben dem Fenster. Eine Hand hielt fest die Münze umklammert, die andere hatte er unter die Achsel geklemmt. Unablässig schaukelte er seinen Oberkörper vor und zurück. Als Thomas zurückkam mit einer Flasche Apfelsaft und einem Stroh­ halm, kein Glas hatte Maggie gesagt, das läßt er fallen, die Flasche, das ist egal, saß Dylan da mit weit offenen Augen, versunken in ein Glück, das nur er kannte, sein Kinn glänzte vor lauter Speichel, ein Lächeln auf den Lippen mal grausam blöd, dann wieder unschuldig und vertrauensse­

lig wie ein Neugeborenes. Thomas trank einen großen Schluck, goß nach und trank, bis die Billardspieler mit den stumpfen Enden ihrer Queues auch das Gelächter um die Theke in Schach hielten.

„Mutter ist nicht mehr da“, sagte Dylan zu dem Sägemehl am Boden, „sie schläft in einem schwarzen Bett in der Kirche. Mavis sagt, Mutter ist müde.“

„Ich habe es gehört“, sagte Thomas, glücklicher Idiot weißt nichts vom Tod nichts von dem dunklen Loch in das wir gelassen werden am Ende nichts von dem dunklen Loch aus dem wir kommen dir ist ein Tag wie der andere Zeit hat keine Bedeutung für dich eine Minute eine Stunde ein Tag alles stürzt in die unendliche Gegenwart des Vergessens in schmerzlose Erinnerungslosigkeit wir anderen wissen vom Anfang wir wissen vom Ende vor allem das Ende wir kennen das dunkle Loch das auf uns wartet am Ende das nur darauf wartet ausgehoben zu werden darum wollen wir zurück in das dunkle Loch in dem alles anfängt gleichgültig welches ob das von Helen oder ein anderes was macht das aus der trostlose Leib einer billigen Hure tauscht erregungslos seine Zeit gegen unerhebliches Geld fünfzehn zwanzig Minuten in denen ihr Kör­ per unaufhaltsam verfällt unter mir gleitmittelgesalbt stoßen wir vor zu den jämmerlich flüchtigen Ekstasen der Wollust warum also Helen aber ich

II

Ich sah sein Auto schon von weitem, als ich um die Kurve kam, wo der Fluß ein Stück der Straße weggerissen hatte, er hatte Rot und mußte war­ ten, Gott sei Dank, jetzt mußte ich nicht raus in das Haus, obwohl ich mich angekündigt hatte mit einem abschließenden Vielleicht, Hallo hier ist Helen, und da wurde die Krähenstimme des Alten freundlicher, Ach Helen, schön, daß sie anrufen, wie geht es ihnen, keine Fragen nach Tho­ mas, ja nicht, dem Kind, ja dem Kind geht es gut, es weiß ja nichts von allem, schön, daß sie mal wieder kommen wollen, dann werden sie se­ hen, daß er gewachsen ist, und ich hörte die Augen leuchten durch das Telefon, der Stolz des Großvaters, natürlich.

Solange die Ampel auf Rot stand, konnte er mir nicht davonfahren, so wie er mir gestern einfach davongelaufen war vor meiner Tür, darum gab ich Gas und schaltete das Licht ein, weil an dieser Stelle, wo die Straße nur noch eine Spur breit war, die Hälfte des pflaumenfarbenen Himmels herausgerissen war von dem Berg auf der anderen Seite des Flusses, es war wieder später geworden, als ich geplant hatte.

Ich bremste neben ihm und kurbelte das Fenster runter, meine Hände zitterten, warum? Durch das geschlossene Seitenfenster seines Wagens sah er mich an, als sähe er mich das erste Mal. Erst als der Wagen hinter mir stand und sein Licht mich blendete im Rückspiegel, da öffnete er sein Fenster und sagte, du blockierst die Straße, ja natürlich blockierte ich die Straße, aber du verdammter Idiot, was soll das denn, dachte ich, der hat es nicht eilig, sonst hätte ich ihn nicht abgehängt auf dem kurzen Stück.

Wir fahren zu mir, sagte ich und ließ ihm keine Zeit zur Antwort und gab Gas, wieso zu mir?

Wohin sonst, fragte ich mich, als Thomas saß in dem Sessel unter dem Fenster in meiner Wohnung, weißt du, wer in dem Wagen war an der Ampel? Euer Pfarrer mit seinen neugierigen Augen, der hatte es ganz be­ stimmt nicht eilig, denn als ich gewendet habe, ist er ganz langsam an mir vorbeigefahren, der hat doch sicher keine Eile um die Zeit? Statt ei­ ner Antwort gab er mir die Flasche Wein, Burgunder, weißer Burgunder, wo gibt es hier Burgunder zu kaufen, Montrachet?

Hier nicht, aber in der Stadt, der Verkäufer sagte, ein sehr guter Wein für den Preis, ausgezeichnetes Preis – Leistungsverhältnis, tatsächlich, er ist extra den Weg in die Stadt gefahren, um Wein zu besorgen. Sollen wir

ihn kühlen, oder lieber gleich aufmachen? Nein um Himmels willen, Montrachet muß gekühlt werden, ja sagte er, die Flasche lag den ganzen Tag im Wagen, sie ist sicher viel zu warm, ich habe noch eine Flasche im Kühlschrank, die hole ich. Wie ein Vertreter für Damenunterwäsche saß er auf der Kante des Sessels und sah mir kein einziges Mal in die Augen. Es ist schön geworden, sagte er mit dem Glas Wein in der Hand, nach einem unsteten Blick durch das Zimmer, er trinkt doch viel lieber Whis­ key, ja sagte ich, richtig gemütlich, klein, aber gemütlich, fürs Erste ge­ nau das richtige, nur der Duschvorhang und eine Lampe für die Diele, ich kann ja mal sehen, sagte er und rutschte noch weiter an die Kante des Sessels, zum Wohl.

Warum reden Menschen nur solchen Unsinn, wenn sie einfach nur ins Bett miteinander wollen?

* * *

Ich saß auf diesem Sessel, weil ihre Augen keinen Widerspruch duldet­ en, wie ein Schüler, der etwas ausgefressen hat, aber was? Den ganzen Tag hatte ich nicht an sie gedacht, weil mir der Schädel brummte, weil mir die Arbeit keine Zeit ließ, Callahan, dieser Idiot, läßt sich von einer Kuh treten, also ab ins Krankenhaus, jetzt kann ich auch noch melken und füttern, dann steht sie an der Ampel und tut, als wäre nichts gewe­ sen. Hinter ihr kommt der Wagen von Kerrigan angeschlichen, natürlich hat der keine Eile, wieso auch, kein Kind und kein Rind, nur eine Herde willfähriger Schäflein, die jede Verspätung in Demut erdulden und halt noch einen Rosenkranz beten, kann ja nicht schaden dereinst, der Herr Pfarrer wird schon kommen, ist ja ein vielbeschäftigter Mann, und der sieht sich an, was vor seinen Augen abläuft, und was er nicht sieht, das reimt sein kleines Pfaffengehirn sich sicher zusammen, der junge O’Lea­ ry hat eine andere, kaum daß seine Frau vier Wochen unter der Erde ist. Und das Kind ist noch nicht mal getauft.

Ich rückte zurück von der Kante des Sessels nach dem ersten Glas Wein, Montrachet, Donnerwetter, sagte sie, unbeeindruckt vom Preis, den ich ihr nicht verriet, bist du wirklich extra in die Stadt gefahren, um Wein zu besorgen? Für mich? Dann lief sie nicht mehr herum wie ein zu groß geratenes Küken, sondern brachte die Flasche in den Kühlschrank, der braucht eigentlich noch ein paar Jahre, in ein paar Jahren schmeckt der noch viel besser als jetzt, den trinken wir dann. Noch Jahre?

Hier, Soave, kein Vergleich, aber trinkbar, sagte sie. Hatte sich schick gemacht, Vater sagte, Helen hat angerufen, Grüße an alle und das Kind, ja das wolle sie sehen, ob es denn wächst und viel schreit, nicht schick, das ist das falsche Wort, elegant, was paßt eigentlich alles in die zwei Koffer, mit denen sie angekommen ist?

Dann saßen wir uns gegenüber, tranken Wein, zu weit entfernt voneina­ nder für alles, bis Helen sagte, ich bin ganz blöd vor Aufregung, wie eine Sechzehnjährige vor dem ersten Rendezvous, warum bist du gestern da­ vongelaufen, ihr Gesicht glühte von dem Wein, wir waren doch schon im Bett miteinander, es war doch kein Opfer, wir wollten es beide, diese verdammten Sessel sind zu weit auseinander, ich hätte ein Sofa kaufen sollen, dann wäre es einfacher, du könntest ganz absichtslos deinen Arm um mich legen oder mein Knie streifen, ich würde dem nicht widerspre­ chen, nicht wegrücken, sondern ein klein wenig näher, du weißt schon, wildes Geknutsche bei Kerzenlicht, romantische Gitarrenmusik ganz lei­ se, du schiebst ein Bein zwischen meine Schenkel, dann ziehst du die Bluse hoch, suchst nach dem Verschluß des BH und so weiter, soll ich Musik anmachen, aber Kerzen habe ich keine?

* * *

Er kam auf mich zu ganz langsam, ich hatte die ganze Zeit geredet, er hörte nur zu und trank, dann fing er zu grinsen an, was soll das, wieso grinst er?, dachte ich, sag doch mal was, aber Worte sind nicht seine Sa­ che, das wußte ich mittlerweile, kein Kitzeln mit Worten, auf Schmei­ cheleien und Liebesschwüre werde ich wohl verzichten müssen bei dir. Liebesschwüre? Ich dachte nicht an Liebe, als er vor mir stand und nicht mehr grinste, sondern überlegte nur, hebt er mich hoch und trägt mich ins Bett, was für ein Kitsch, schmalzige Geigen im Hintergrund, weiße Bänder überall, ich schmiege meinen Kopf an seine starke Schulter, Trommelwirbel, wenn er mich aufs Bett wirft, Schnitt. Oder sollte ich aufstehen und was dann?

Dann kniete er nieder, wirklich, er kniete, ich wollte schon lachen, be­ test du mich jetzt an, aber er war wieder so ernst wie beim ersten Mal, darum lachte ich nicht, er schob seine Hände unter meinen Rock, ganz langsam, ich hob meinen Po und er zog mir den Slip aus, ich wollte die Schuhe fallen lassen, weil der Bund sich verhakte an den Absätzen, er sagte nein, laß die Schuhe an und nahm den einen, der schon am Boden lag und streifte ihn wieder über den Fuß, ich mag das mit deinen Schu­ hen, was finden Männer an hochhackigen Schuhen eigentlich so geil?

Dann schob er mir den Rock hoch bis beinahe über die Hüften und leg­ te meine Beine über die Sessellehnen, da lag ich nackt und offen vor ihm, und er starrte auf den dreieckigen Kontinent zwischen meinen Bei­ nen. So ungefähr muß Columbus ausgesehen haben, als er Amerika ent­ deckte, dachte ich, und mußte lachen, das Meer meiner weißen, puritani­ schen, angelsächsischen Haut kräuselte sich sanft unter dem Wind seiner Hände und der Temperatur seines Blicks, Wieso lachst du?

Das Steingrau seiner Augen gerann für einen Moment zu sprödem Mar­mor, nichts, es ist nichts, du siehst nur aus wie Columbus, der gerade Amerika entdeckt hat.

* * *

Wieso Columbus?, wenn schon, dann Adam, der Eva entdeckt, glück­ lich aus dem Paradies vertrieben sie beide, aber Columbus, warum nicht, wenn er Amerika immer wieder entdecken kann, jeden Tag, was unter­ scheidet das Begehren vom Hunger? Ihre Augen gaben keine Antwort, du hast die Augen geschlossen, sieh mich an, nicht Adam, nicht Colum­ bus, aber wer dann?

Warum läßt du mich warten, Thomas, nimm dir die Früchte, sie sind nicht verboten, wir sind erwachsen, wer soll uns hindern, glücklich zu sein ohne Dauer, ohne Versprechen und Liebesschwüre für diesen einen unendlichen Moment, in dem der Leib sich auflöst in Lust?

Ich öffnete die Augen, seine Hände strichen auf der Innenseite meiner Schenkel entlang, ganz langsam und sanft. Ich nahm seinen Kopf in mei­ ne Hände, sein Haar knirschte wie trockener Sand, und zog ihn in mei­ nen Schoß, eine unendliche Welle obszöner Worte schoß mir durch den Kopf, aber welche Worte könnten beschreiben, was Lust ist?

Ich sah ihm zu, wie seine Zunge eindrang in mich, wie sie sich bemüht­ e um mich, vielleicht hast du Rachel doch glücklich gemacht mit der Ge­duld deiner Hände und deiner geschmeidigen Zunge, sie hat sich nie be­klagt über dich, nein Thomas arbeitet viel, aber oft ist er lustig, dann la­ chen wir zusammen, und zärtlich ja zärtlich ist er schon, immer ein we­ nig einsilbig und fadendünn ihre Stimme bei diesem Thema. Ich wollte seine Zärtlichkeit sehen, aber trotz geöffneter Augen sah ich nichts, weil seine Zunge meine Lust lockte hinter die Augen, das merkte ich erst, als meine Schenkel mich schmerzten, nein nicht weil Thomas mich wieder grob gepackt hätte, nein, sondern weil ihr Körper sich bäumte mit einer unbekannten Kraft, der ich nicht ge­ wachsen war, sie entglitt mir und meinem Ehrgeiz und lag erschöpft auf dem Sessel und atmete heftig, ihre Augen sahen zur Decke und ihre Schenkel zitterten, Was machst du, du machst mich wahnsinnig, das Blut zog sich nur langsam zurück aus ihrem Gesicht. Keine Fragen mehr, son­ dern nur noch ihr Körper, der sich krümmte und mein Gesicht auf ihrem Bauch, ich hörte den dunklen Schlag ihres Herzens, dieses wilde Rasen, und schmeckte sie an den Lippen, der bitter – salzige Geschmack ihrer Scham an der Zunge. Ich wartete, bis das Beben ihres Kraternabels nachließ, dann blies ich über ihren Bauch, daß der Kinderflaum sich auf­ richtete, Was machst du, fragte sie und lachte, sie packte meinen Kopf und zog ihn auf ihre Brust, ihre Augen sind so schattenlos blau wie der Himmel am Mittag eines Sommertags, wenn die Sonne im Zenit steht und keiner sich vorstellen kann, daß sie jemals wieder verschwindet.

Ich empfand Dankbarkeit, Thomas, ich danke dir für die Geduld deines Leibes und die Ausdauer deiner Zunge, die mich so schwerelos gemacht hat, er sah mich nur blöd an, ja Dankbarkeit, was wäre eigentlich, wenn Rachel noch lebte, säßen wir drei jetzt um einen Tisch, müde vom Abendbrot, Teller abgeräumt, noch ein Glas Wein? Oder Whiskey? Ein Auge, ein Ohr immer am Körbchen beim Kind? Unverbindliches Ge­ plauder, kein loses Wort? Ich behielt meine Gedanken für mich, sondern sagte, laß mich, ich möchte dich belohnen, ich möchte dein Drängen in Lust verwandeln, deine Hose ist ja viel zu eng. Ja, sie ist zu eng, zieh dich aus, du auch, er rollte auf den Boden und sah mir zu, wie ich den Reißverschluß meines Rocks öffnete, meine Bluse, den BH fallen ließ, nein nicht die Schuhe, natürlich die Schuhe, bleib noch einen Moment so.

Sein Lächeln scheuchte die Kinderangst um die Ecke, warst du auch brav, die Oma im Himmel sieht alles, wie lächerlich, Rachel ist tot, tot, tot, sie schaut von nirgendwo herab, sie liegt unter der Erde, wer glaubt denn heute noch an einen Himmel oder eine Hölle, an ein Leben nach dem Tod oder die Auferstehung?

Meine Nacktheit spiegelte sich in seinem Gesicht, mein Gott, reines Gefallen, das Mysterium der Nacktheit, fassungsloses Staunen umrundet fiebernde Spannung, dieser unfaßbare Glanz seiner Augen im letzten Abendlicht, ich machte Licht und setzte mich auf die Lehne des Sessels, noch nie hat ein Mann mich so angesehen wie du.

Die ganze Zeit hielt ich meinen Penis fest, weil ich mir so lächerlich vorkam mit diesem aufgepflanzten Bajonett, sie saß auf der Lehne des Sessels erst etwas verkrampft, ihre Nasenflügel zitterten leicht, die Arme hatte sie verschränkt über ihren Brüsten, doch dann lehnte sie sich zu­ rück und stützte sich ab mit beiden Armen. Im Vergleich zum Körper ei­ ner Frau ist der Mann nicht mehr als ein behaarter Halbaffe, ihre Scham klaffte glänzend zwischen ihren Beinen, ihre Brüste hingen leicht über ihrem Bauch, die Brustwarzen standen dunkel und hart hervor, nachdem mein Blick sie berührt hatte.

Komm her, auf mich rauf, sagte er, und ich erschrak ein wenig und sag­ te Nicht heute, Thomas, du weißt schon, und er nickte, als er verstanden hatte. Ich schlüpfte aus einem Schuh und streifte mit meinem großen Zeh über seinen Schenkel bis hinauf zu seinem Penis, den er auffällig unab­ sichtlich mit beiden Händen bedeckte. Du bist schamhaft wie eine alte Jungfer, nein bin ich nicht, sagte er und grinste, es sieht nur so komisch aus. Mit dem Zeh drängte ich die Hände auseinander und streichelte ihn, bis meine Erregung sich als schleimige Pfütze in meinem Schoß sam­ melte, daß ich glaubte, den Verstand zu verlieren. Dann kniete ich nieder und nahm ihn in den Mund.

Ihre Augen waren verhangen wovon? als sie aufblickte, ihr Spiel von Lippen und Zunge beendete, das Sperma lief ihr zu beiden Seiten aus dem Mund und tropfte auf ihre Brüste ich kann das Zeug nicht schlu­ cken, sagte sie, da zog ich sie zu mir und küßte sie, Samen auf deinen Lippen schmeckt nach gar nichts, sie rollte auf die Seite, ein Grinsen klärte Augen und Gesicht, dieser Scheißteppich ist ganz schön hart und kratzig, die Verkäuferin sagte, Kokos, reine Natur, strapazierfähig, aber nichts für mich, meine Knie, komm mit ins Bett, du nimmst den Wein, ich hole den Käse, ich habe einen Hunger, das glaubst du nicht. Und rauchen würde ich auch gerne eine. Warum redest du so viel, fragte ich und verrieb meinen Samen auf ihren Brüsten, ich weiß nicht, rede ich viel?

Im Bett rückte ich zur Seite, als sie kam mit einem Brettchen und dem Käse, das Messer steckte im Käse und wippte beim Gehen wie ihre Brüste, ich hätte besser ein breiteres Bett gekauft, aber wer konnte denn ahnen?, der Käse war alt und krümelig und kleine Stückchen fielen zwi­ schen ihren Brüsten in ihren Schoß, bist du so hungrig? Meine Hand zupfte aus dem Haar zwischen ihren Beinen Käse, die schmecken ganz besonders gut, glaub mir, sagte sie, woran erinnert mich der Schimmer getrockneten Samens in ihren Mundwinkeln?, dann schob ich noch ein großes Stück in den Mund, beim Kauen schlingerte das Brettchen auf ih­ ren Schenkeln wie ein Kahn ohne Kiel, du mußt mich gleich noch ein­ mal lieben, ja?

Wenn du meinst, gönnerhaft, ich schob die Hand etwas tiefer, nicht, noch nicht, das kitzelt, laß mich erst essen und trinken, wieso rauchst du eigentlich nicht, irgendwo habe ich Zigaretten, laß mich mal sehen, das Brettchen landete in meinem Schoß, sie sprang aus dem Bett, ich bewun­ derte die perfekte Rundung ihrer Pobacken, die sie mir entgegenreckte, weil sie warum auch immer ihre Zigaretten auf dem Boden bei einem Stapel Zeitungen vermutete, ihre Brüste schrammten haarscharf an mes­ serscharfen Zeitungsseiten vorbei, paß auf, sonst schneidest du dich, es wäre schade drum.

Was soll schade sein?, da sind sie ja, siehst du ich wußte doch daß ich noch welche habe, was starrst du auf meinen Po, gefällt dir das, wenn du von hinten in mich reinschauen kannst? Wieso habe ich ihn eigentlich eben gefragt, ob er mich noch einmal liebt? Was hat das mit Liebe zu tun, was wir hier treiben? Wir sind erwachsene Menschen undund das Bett schaukelte diesmal wie eine Fähre in stürmischer See, als sie in die Kissen fiel, was ist das eigentlich für ein Bett, die Matratze ist ja total durchgelegen, das kann doch nicht neu sein

ist es auch nicht, das habe ich von dem Vormieter, der war auch bei Stairways und wollte zurück in die Staaten, was sollte der mit dem Bett, also habe ich es ihm abgekauft, die Matratze ist durchgelegen, ich weiß, aber ich dachte für den Anfang, wer weiß ob ich in dieser Wohnung blei­be, bleibst du eigentlich hier heute nacht?

Hm, sagte ich durch den Rauch ihrer Zigarette, darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht, dabei hatte ich schon die ganze Zeit überlegt, sollte ich bleiben, was wäre, wenn ich schon die zweite Nacht nicht nach Hause käme, gestern die Nacht im Wagen hat mir jeder ange­ sehen, aber heute, und Callahan ist noch zwei Wochen im Krankenhaus, also um fünf Uhr in den Stall, dann raus aufs Feld, ich muß sehr früh raus, weißt du, wegen Callahan, wenn dich das nicht stört. Na ist ja egal, sagte sie, irgend etwas in ihrer Stimme hatte sich verändert, aber vorher machen wir es noch mal, jetzt gleich? Na meinetwegen, ganz cool. Dann wußte ich, woran mich das getrocknete Sperma erinnerte. Hatte der ge­ trocknete Eiter in Rachels Mundwinkeln nicht ganz genauso ausgesehen auf ihrem Totenbett?

„Putz dir zuerst den Mund ab.“

„Wieso?“

* * *

Ich hörte dich nicht, als du gingst, aber einmal wurde ich wach, weil ich mich an etwas Weichem gestoßen hatte, und da erschrak ich, sofort war ich hellwach, aber es war nur dein Arm, du lagst neben mir, warst also nicht gegangen, und ich hatte es nicht bemerkt, weil ich sofort ein­ geschlafen war, nachdem wir uns noch einmal geliebt hatten, in deinen Armen bin ich eingeschlafen, und als ich sah, daß du neben mir lagst, war ich glücklich, ja ich war glücklich über deinen Körper neben mir. Du schliefst ganz friedlich, das Haar wirr wie immer, das Mondlicht reichte gerade soweit um die Ecke des Giebels, daß ich dein Gesicht sehen konnte, aus dem der trotzige Ausdruck verschwunden war, weißt du wie ein trotziger Junge siehst du immer aus, aber genau das ist es, was ich an dir mag, weil du nicht immer trotzig aussiehst, wenn du schläfst nicht, und nicht, wenn mein Körper deine Augen zum Glänzen bringt wie gestern abend, als wir uns zweimal liebten, aber wie ein Junge sahst du da aus, der das erste Mal eine nackte Frau sieht, du ahnst nicht, welch herrliches Gefühl das ist. Die nervöse Schönheit ganz junger Dinger mit ihren festen Brüsten und ihren straffen Hüften, wie traurig ist sie dagegen, kennen die Begeisterung über ihre Schönheit doch nur aus dem

Spiegel, haben sie nie von den Augen eines Mannes abgelesen. Aber was wißt ihr Männer von Frauen? Was wißt ihr von unserer Angst vor dem Alter, was weißt du davon? Kannst du dir vorstellen, welches Gefühl das ist, wenn einen die Ahnung streift wie ein kalter Nachthauch, daß der Kredit der Natur langsam, aber unaufhörlich zur Neige geht, wenn das Alter vor der Tür lauert, ganz begierig, sein Zerstörungswerk zu beginnen, und nicht damit aufzuhören, bis nur noch Schönheitschirurgen und Altenheimbetreiber sich für uns interessieren. Alles, was uns dann bleibt, ist ein Tanztee zu vorgezogener Stunde, das Alter, man geht immer früher zu Bett, also den Fünf-Uhr-Tee mit Kapelle um vier oder besser um drei, tangotanzend mit einem sabbernden Greis, der schon so hinfällig ist, daß trotz seines Geldes keine Junge mehr hinsieht. Und manchmal blitzt in den Augen dieses traurigen Tanzpaares die Erinnerung auf, daß es etwas gab zwischen den Geschlechtern, das mehr war als zittrige Schritte steifhüftiger Alter, dem Takt der Musik rettungslos hinterher. Mühsam kramen sie dann in ihren porösen Gehirnen und finden nur Worte, die ihnen nichts mehr sagen, aber mit einem müden Lachen lügen sie sich vor, Ach ja, damals . . . !

Wie lange soll ich heute auf dich warten? Warum stehst du heute nicht vor meiner Tür mit einem schiefen Lächeln, Hallo, da bin ich, ich war ganz zufällig in der Nähe? Oder wartest du darauf, daß ich mich auf den Weg mache, das Kind besichtigen, um den Vater zu sehen?

* * *

Ohne daß es so vereinbart worden wäre, hatten alle für sich beschlossen, daß über den Vorfall in jener Nacht nichts nach außen dringen sollte. Und da auch Thomas kein Wort mehr darüber verlor, verhielten sich alle so, als wäre nichts geschehen und die Wunde an Thomas‘ Hinterkopf die Folge eines Treppensturzes nach einer durchzechten Nacht.

Ich besuchte ihn jeden Tag. Jedes Mal, wenn ich ins Zimmer kam, saß Thomas am Bett seines Vaters und starrte stumm auf dessen ausdrucksloses Gesicht oder sah in den Garten, wo wilde Herbstwinde die letzten Reste des Laubs über die Wege trieben. Dann setzte ich mich jedes Mal dazu, und wir ver- brachten die Stunden schweigend, weil alles gesagt war, und dem nichts hinzugefügt werden konnte. Am vierten Tag, als ich den Kopf durch die Tür steckte, war Thomas verschwunden. Sein Bett stand frisch und neu bezogen rechts neben der Tür. Nur der alte O’Leary lag noch in der Ecke neben dem Fenster, und als ich ihn nach Thomas fragte, drückte er mir nur die Hand, und da erst erinnerte ich mich, daß der zweite Schlaganfall sein Sprachzentrum getroffen hatte.

Am Eingang erfuhr ich, daß Thomas mitten in der Nacht gegangen war, und niemand ihn hatte aufhalten können. Wie ich es mir gedacht hatte, fand ich ihn am Grab von Helen, wo er trotz der Nässe auf dem Boden kauerte. Nur mit Mühe gelang es mir, ihn dazu zu bewegen, mit ins Haus zu kommen. Als ich ihn fragte, ob ich etwas für ihn tun könnte, einkaufen oder ko – chen oder was auch immer, schüttelte er den Kopf, Nein danke, er könne schon für sich sorgen, und es gehe ihm auch gut, nur das bißchen Kopfschmerz, aber das könne er ertragen.

Und als ich ihm meine Hilfe geradezu aufdrängen wollte, da wurde er trotzig, Nein, ich solle ihn jetzt endlich in Ruhe las- sen. Das habe ich dann auch getan. Die ganzen achtzehn Jahre seit diesem denkwürdigen Herbst haben wir uns nur ein oder zwei Mal im Jahr gesehen, zu den Geburtstagen, wo wir uns immer gratulierten, freundlich, aber jedes Jahr etwas steifer, förmlicher und fremder.

Von Beth wußte ich, daß er sich in die Arbeit gestürzt hatte wie nie zuvor. Benjamin ließ er es an nichts fehlen, aber sonst kümmerte er sich nicht um seinen Sohn. Jedes Mal, wenn ich zu seinem Haus fuhr, und in den ersten Jahren war ich häufi- ger dort, weil ich die Hoffnung hatte, daß es doch einen Faden gab, an den anzuknüpfen sich lohnte, jedes Mal also, wenn ich da war, sah ich, wie gepflegt Helens Grab war, immer mit fri- schen Blumen geschmückt und nicht die Spur von Unkraut auf der sauber geharkten Erde. Die Blumen für Helens Grab, das war so ziemlich der einzige Luxus in seinem Leben.

Nach ein paar Jahren gab ich es auf, nach dem Faden zu su- chen, der mich zu Thomas geführt hätte. Manchmal, wenn wir uns auf der Straße trafen, grüßten wir uns wie zwei entfernte Bekannte, dann standen wir ein bißchen schweigend herum, wichen dem Blick des Anderen aus, während unsere Hirne krampfhaft nach einem Gesprächsstoff suchten, den es aber nicht gab. Wie ich jetzt weiß, lebte er die ganzen Jahre zufrie- den, auf seine Art, weil er ein Ziel gefunden hatte, das ihn auf- recht hielt. Die einzige Person, die er ins Haus ließ, war Beth, die sich etwas um ihn gekümmert hat vor allem in den letzten Jahren. Sie hat ihn auch gefunden, wie er tot am Küchentisch saß, in einer Hand ein leeres Whiskeyglas, die leere Flasche am Boden zu seinen Füßen. Beth sagt, zuerst sei sie erschro- cken, dann habe sie sein Gesicht, das Gesicht des toten Thomas gesehen, und da wurde ihr klar, daß das Ende keinen Schrecken hatte für ihn. Denn nie im Leben habe er so glücklich ausgesehen wie im Tod.

* * *

Wie sich herausstellte, hatte Thomas seine eigene Be- erdigung bis ins letzte Detail geplant. Alle Verfügungen waren in seinem Testament geregelt, das er vor beinahe 18 Jahren verfaßt hatte, nur zwei Wochen, nachdem wir Helen ein zwei- tes Mal beerdigt hatten.

So kommt es, daß wir Thomas heute morgen zu Grabe tru- gen, in einem schlichten Eichensarg, wie er es gewünscht hat- te, und ohne Pfarrer, wie er ausdrücklich bestimmt hatte. Nur Beth und Benjamin und ich folgten dem Sarg, und ein paar Leute, die mehr durch Zufall von Thomas‘ Tod erfahren hat- ten, weil sie gerade wegen irgendwelcher geschäftlicher Ange- legenheiten anriefen oder auf dem Hof vorbeikamen. Und na- türlich die vier Männer in speckigen, schwarzen Anzügen, die das Beerdigungsunternehmen geschickt hatte.

Seine Mutter überließen wir für diese Stunde der Aufsicht ei- ner Pflegerin, die wir aus Dublin kommen ließen. Er hatte sei- ne Mutter nicht erwähnt in seinem Testament, vermutlich weil er davon ausgegangen ist, sie zu überleben. Ich bin mir aber sicher, daß er unsere Entscheidung gebilligt hätte, die Alte nicht an sein Grab zu bringen.

Im Testament hatte Thomas gewünscht, daß ich ein paar Sät- ze spreche an seinem Sarg. Anderthalb Tage habe ich nach den passenden Worten gesucht, ohne daß mir etwas eingefallen ist,

was Thomas gerecht geworden wäre. Schließlich hatte ich ei- nige Sätze aufgeschrieben, dürre Worte, Über den Tod läßt sich nichts sagen, er ist die letzte und einsamste Erfahrung ei- nes Menschen, die er buchstäblich mit ins Grab nimmt, und an dieser Stelle legte ich mein Manuskript beiseite, weil ich plötzlich wußte, was ich sagen mußte, ich weiß, du hast den Tod nicht gesucht, aber du hast auf ihn gewartet. Du hast auf ihn gewartet seit jenem Jahr, in dem das Unglück Einzug hielt in dein Leben, zuerst Rachel, die Unglückliche, dann Helen, die nicht weniger Unglückliche, du hast auf ihn gewartet, denn es war dir nicht vergönnt, das Glück im Leben zu erfah- ren bis auf jenen viel zu kurzen Sommer, jenes Glück, das die Zeit stillstellt durch die Liebe und damit den Tod besiegt, so- lange, bis die Liebenden lebenssatt und ohne Überdruß und Kummer hinübergehen in jenes andere Reich, von dem wir nichts wissen, von dem wir zum Glück nichts wissen, denn nur so konntest du, Thomas, den Tod besiegen, indem du ihm ge- trotzt hast, über das Ende von Helen und dein eigenes Ende hinaus. Wir verneigen uns vor deiner Liebe und deiner ver- zweifelten Hoffnung, jener Liebe, von der wir Lebenden alle träumen, und jener Hoffnung, die uns so unwahrscheinlich er- scheint wie kaum etwas anderes in dieser Welt. Aber selbst wenn wir nicht an die Liebe glauben und nicht an die Hoff- nung, so kannst du von uns Unglücklichen zumindest erwar- ten, daß wir deinen letzten Wunsch respektieren.

Es war Benjamin, der lächelte bei diesen Worten, vielleicht hat er tatsächlich verstanden, was seinen Vater bewegte, wer dieser Mann war, den er zu Grabe trug, ohne ihn je richtig ge- kannt zu haben.

Dann gab ich den Männern ein Zeichen, und routiniert ließen sie den Sarg in die Grube. Nachdem alle Anwesenden eine

Schaufel Erde in Thomas‘ Grab geworfen hatten, gingen wir davon, vorbei am Grab von Helen, das gepflegt war wie im- mer. Noch kurz vor seinem Tod muß Thomas es neu bepflanzt haben, denn die Astern leuchteten in allen Farben aus frisch- geharkter Erde, und um den Rosenstrauch, dessen einzige Blü- te satt und rot in den graubedeckten Himmel leuchtete, war al- les Unkraut fein säuberlich entfernt. Ich bin mir nicht sicher, ob Benjamin den letzten Wunsch seines Vaters verstanden hat. Vielleicht ist er dafür noch zu jung. Vielleicht muß er erst die Liebe kennenlernen, ihre Qualen und ihre Freuden. Aber viel- leicht tue ich ihm unrecht. Er ist schweigsam wie sein Vater, so daß ich nie recht weiß, was ihn bewegt, was in ihm vorgeht. Er hat jedenfalls Thomas‘ letzten Wunsch, den einzigen, den er je gegenüber seinem Sohn geäußert hat, ohne Zögern er- füllt:

Begrabt mich so gegenüber von Helen, daß wir uns am Tage der Auferstehung als Erstes in die Augen sehen.“

Ende –