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Die Liebe, der Regen und der Tod – Leseprobe

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I

Drei Tage nach der Geburt ihres ersten Kindes lag Rachel bleich und tot in ihrem Bett, und der Arzt schüttelte nur den Kopf, als Thomas ihn fragte, warum seine Frau gestorben war. So blieb ihm nur, der Toten einen Besuch abzustatten und sie um Vergebung zu bitten, daß er sie zweimal in den letzten Ta­gen im Stich gelassen hatte. Denn allein war Rachel zum Krankenhaus gefahren, um ihren Sohn zur Welt zu bringen, weil Thomas auf den Weiden nach dem Vieh sah, das wegen des Dauerregens im Schlamm zu versinken drohte. Allein war sie auch gestorben, innerhalb weniger Stunden und ohne viel Aufhebens, so wie es ihre Art war, während Thomas bei sei­nem Freund Seamus saß, dessen Haus so abgelegen war, daß kein Unternehmen ein Telefonkabel dorthin verlegt hätte.

Seltsam leicht stand er jetzt dem Leichnam seiner Frau gegenüber, den man in eine eilig hergerichtete Kammer gebracht hatte, weil der Virus auf seinem Weg über die Insel so viele Opfer zurückließ, daß man nicht alle in einer Kapelle aufbah­ren konnte. Und die Leichenkeller der Krankenhäuser waren seit Wochen überfüllt.

Nur das Blut in seinem Kopf hämmerte in die Stille, als er auf den toten Körper blickte, den man auf einen langen Reso­paltisch gelegt hatte, mit einem weißen Tuch nur notdürftig bis über die Brust zugedeckt. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, das Stück schmutzigen Verbands zu entfernen, mit dem man der Toten das Kinn hochgebunden hatte. Ein Faden eitrigen Schleims in ihren Mundwinkeln war getrocknet zu einer gelbgrün schimmernden Spur des Verfalls, aber ihr Gesicht zeigte kein Zeichen des Aufbegehrens gegen den Tod. Eher überrascht sah sie aus, jetzt sterben zu müssen, nachdem sie doch eben erst ein Kind geboren hatte. Und spöttisch sah sie aus, so wie sie immer ausgesehen hatte, wenn Thomas ihr versichert hatte, wie sehr er sie liebe.

Vielleicht hatte sie sich über die Krankenschwestern lustig machen wollen, von denen sie wußte, daß sie in ihre toten Hände einen Rosenkranz legen würden, obwohl keiner sich erinnern konnte, daß sie seit ihrer Hochzeit jemals wieder eine Kirche betreten hätte.

Es war etwas anderes als Trauer, was Thomas empfand, als er Rachel in dieser schäbigen Kammer liegen sah, mehr abge­stellt als aufgebahrt. Es war der Schrecken über die plötzliche Nähe des Todes, der in diesen Tagen so viele dahinraffte, aber niemals so junge Menschen, sondern gebrechliche Alte, deren Körper der Influenza keinen Widerstand mehr entgegensetzen konnten.

Ratlos stand er am Fußende und musterte Rachels Gesicht, das durch den Schein zweier Kerzen warm und lebendig wirkte. Ein paar Mal strich er sich nervös durch das Haar und nickte schließlich erleichtert, als plötzlich eine stämmige Krankenschwester mit einer Nierenschale in den Händen in der Kammer stand und nach ein paar Worten des Beileids den Kopf seiner Frau von der Kinnbinde befreite.Als dann die Schwester das Leintuch glattstrich und den Ro­senkranz in den Händen der Toten neu ordnete, öffneten sich die Lippen von Rachel und es sah aus, als wolle sie Thomas einen Abschiedsgruß zurufen. Aber es war nur eine kurze Be­wegung des Kinns, das, vom Druck der Binde entlastet, nach unten sackte, um dann in endgültiger Starre zu verharren. Ohne auf die Schwester zu achten, verließ Thomas die Kammer. Bevor er die Tür hinter sich schloß, warf er einen letzten Blick auf die Tote und bekreuzigte sich, so wie er es als kleiner Junge gelernt hatte.

Wütender Regen empfing ihn vor dem grauen Portal des Krankenhauses, in dem sein Sohn jetzt nicht an der Brust sei­ner Mutter lag und durch den gleichmäßigen Schlag ihres Herzens auf das Leben eingestimmt wurde. Ohne die klat­schenden Tropfen zu beachten, die Blasen auf dem Asphalt warfen und große, schimmernde Pfützen auf dem Parkplatz gebildet hatten, ging Thomas langsam auf seinen Wagen zu. Als er den alten Landrover erreicht hatte, sah er, daß er das Seitenfenster offen gelassen hatte. Gleichgültig schloß er auf, trocknete den nassen Sitz und das Lenkrad mit seinem Mantel, den er dann zu einem Bündel zusammenknüllte und auf den Rücksitz warf. Eine Bö drückte Regen durch das immer noch offene Fenster, als er den Wagen anließ und das vertraute Na­geln des alten Diesels erklang. Verärgert schloß er mit seiner Rechten das Fenster und ließ gleichzeitig die Kupplung etwas zu schnell kommen. Mit einem jähen Satz schoß der Wagen rückwärts, und beinahe hätte er einen streunenden Hund über­fahren, der völlig durchnäßt hinter seinem Wagen herumlun­gerte. Mit der Hupe vertrieb er das verängstigte Tier und fuhr dann mit durchdrehenden Reifen los.

Nach wenigen hundert Metern konnte er kaum noch etwas erkennen, so sehr waren die Scheiben beschlagen. Während er einem Paar in schwarzer Kleidung, das sich unter einen Schirm duckte und in Richtung Krankenhaus ging, auswich, wischte er mit einem Hemdsärmel ein Stück frei, gerade so viel, um zu sehen, wohin er fuhr. Selbst auf höchster Stufe schaffte es das Gebläse des Wagens nicht, mehr als einen Streifen, etwa so breit wie eine Hand, freizuhalten.

Viel zu schnell fuhr er die abschüssige Straße zum Dorf, und auch in den engen Gassen bremste er nicht ab. Erst als die Häuser im Rückspiegel immer kleiner wurden, ließ das Zittern seiner Hände leicht nach. Langsam lockerte er den Griff um das Lenkrad, mit dem er seine Finger beruhigt hatte. Allmäh­lich ging das dumpfe Gebrüll des Motors in ein gleichmäßi­ges, sonores Brummen über. In das Entsetzen über Rachels Tod mischte sich jetzt Wut. Wut darüber, daß sie einfach ge­storben war und ihn alleingelassen hatte mit einem Kind. Mit der ganzen Arbeit. Mit seinen Eltern und dem großen Haus. Wut, die zumindest ein wenig von dem Entsetzen bannte, das ihr Anblick bei ihm ausgelöst hatte.

Schneller als gewohnt kam er heute voran, weil bei diesem Regen niemand freiwillig vor die Tür ging. Nur einmal mußte er bremsen, als zwei große Lastwagen zu den Gebäuden mit den verspiegelten Fassaden abbogen, die neuen Wohlstand und neue Menschen in das Dorf gebracht hatten. Selbst auf der Schnellstraße war kaum Verkehr, weil die vielen Überschwem­mungen die übliche Geschäftigkeit allmählich zum Erliegen brachten.

Grauer Nebel hing über dem Fluß und an den Flanken der beiden Berge, die hier in der Gegend die „Zwei Schwestern“ genannt wurden. Er verhüllte die kahlen Gipfel und die un­gewohnte Fruchtbarkeit an ihren Hängen, die der unmäßige Regen mit sich gebracht hatte. Noch wenige Tage, und der Fluß würde nach den Feldern auch die Straße überschwem­men. Wer immer dann in das Tal hinter den „Zwei Schwe­stern“ wollte, müßte den beschwerlichen Fußmarsch über die Berge auf sich nehmen. Der Fluß hatte sich bereits in einen gefährlichen Strom verwandelt und an der engsten Stelle, die gerade noch Platz für die Straße ließ, leckte das Wasser bereits auf den grauen Asphalt. Weiße Fontänen spritzten zu beiden Seiten des Wagens auf, als Thomas die tiefste Stelle passierte. Langsam stieg die Straße dann die Hügelkette an, und als er die ersten Häuser erreichte, lag der Fluß im Tal und bot ein friedliches Bild.

Mattgelbes Licht drang aus den Fenstern der vereinzelten Gebäude, die die Straße säumten. Der Geruch von Regen und Torf mischte sich mit dem beißenden Gestank von Kohlen­feuer. Die Straße war leer, und auch bei den Häusern war nie­mand zu sehen. Wer es sich erlauben konnte in diesen Tagen, mied aus Angst vor Ansteckung jeden Kontakt mit anderen Menschen.

Nach wenigen Minuten erreichte er die sanfte Anhöhe, auf der sein Elternhaus lag. Der Putz der Mauer, die das riesige Grundstück umgab, sah im Regen noch brüchiger und schmutziger als aus sonst. An einigen Stellen schien das Mau­erwerk in den letzten Tagen neue Risse bekommen zu haben. Das eiserne Tor war offen wie immer. Weil es nicht mehr geschlossen worden war, solange Thomas zurückdenken konnte, war es in den Angeln festgerostet. Kies spritzte zur Seite, als Thomas die Auffahrt zum Haus hochfuhr. Die Lö­cher, nur notdürftig mit Erde und Steinen gefüllt, schüttelten den Wagen wild durcheinander. Vor dem Haus hinterließen die Reifen eine tiefe dunkle Spur in dem sauber gewalzten Schot­ter, als Thomas bremste.

* * *

Sein Vater hatte hinter der Eingangstür auf ihn gewartet. Wie einen kleinen Jungen packte er Thomas mit seinen Gichthän­den am Kopf und zog ihn zu sich heran, ohne ihn jedoch wirklich zu berühren.

„Mein Junge“, sagte er, und seine Stimme klang nicht anders als an dem Tag, an dem eine Schwiegertochter ins Haus kam und er ihr Erbe in Besitz nahm, um damit Ansehen und Ein­fluß der O´Learys zu mehren. Dann wandte er sich von Tho­mas ab und schlurfte in sein Büro zurück, in dem er die Tage damit verbrachte, über die Konten der Familie zu wachen und aufzupassen, daß sie an jedem Quartalsende einen positiven Saldo auswiesen.

„Wo ist Mutter?“, rief Thomas ihm hinterher, als der Alte schon wieder an seinem Schreibtisch saß. Ohne aufzusehen, kramte sein Vater weiter in den Papieren, die er in seiner etwas steifen Hand­schrift Tag für Tag mit endlosen Zahlenreihen füllte.

„Ich weiß nicht. In der Küche vielleicht“, antwortete er schließlich, schon wieder in seine Buchführung vertieft.

Thomas zögerte einen Augenblick. Dann ging er zur Treppe und stieg langsam die Stufen empor bis in den zweiten Stock, den er seit der Hochzeit zusammen mit Rachel bewohnte. An der Tür kam ihm der Gedanke, daß es vielleicht besser gewe­sen wäre, wenn Rachel und er damals in ihr Elternhaus gezo­gen wären. Vielleicht wäre dann alles ganz anders gekommen. Vielleicht wäre sie jetzt noch am Leben. Aber sogar Rachel hatte eingesehen, daß sie es hier im Haus seiner Eltern einfacher und bequemer hatten. Daß es die Mühen und Kosten nicht wert war, das heruntergekommene, unwirtliche Haus ihres Vaters umzubauen und herzurichten.

Der viel zu große Wohnraum war erfüllt von dem schwefli­gen Geruch kalter Asche. Mit einem Schürhaken stocherte er im Kamin in dem weißgrauen Haufen auf der Suche nach Re­sten von Glut. Aber das Feuer war vollständig erloschen, die Asche kalt und feucht. Lautlos fiel sie in sich zusammen zu einem Haufen Staub, aus dem nur der verkohlte Stumpf eines Holzscheits herausragte. Thomas stellte den Schürhaken bei­seite, nahm sich vom Kaminsims die Flasche Bush­mills und goß sich ein Glas halbvoll. Dann setzte er sich in den weichen Sessel vor dem offenen Kamin. Ziellos irrte sein Blick in dem Raum umher, den Rachel in den fünf Jahren ihrer Ehe in ein elegantes, bequemes Zuhause verwandelt hatte. Er blieb an dem Photo hängen, das gerahmt über dem kleinen Sekretär in einer Ecke des Raums hing. Ein strahlendes Paar lachte darauf in die Kamera. Thomas erinnerte sich, welche Mühe der Pho­tograph sich gemacht hatte an ihrem Hochzeitstag. Mehrere Filme hatte er in seinem winzigen Studio in der Nähe der Kir­che belichtet, bis er sicher war, daß wenigstens ein Bild dabei war, das den Auftraggeber zufriedenstellte. Mehrere Dutzend Abzüge hatten sie als Beweis ihres Glücks den Dan­kesbriefen an die Hochzeitsgäste und alle Gratulanten beige­legt. Dann hatten sie noch zwei große gerahmte Abzüge be­stellt. Der zweite hing jetzt im Wohnraum der Eltern, einen Stock tiefer.

Die hereinbrechende Dämmerung verdunkelte allmählich die Gesichter auf dem Photo, bis nur noch das strahlende Weiß von Rachels Hochzeitskleid in den Raum leuchtete. Der Re­gen klatschte gleichmäßig vor die gardinenlosen Fenster. So stark war er jetzt wieder, daß durch die Scheiben nur ein ver­schwommenes Bild der Berge am anderen Ufer des Flusses zu erkennen war. Thomas fröstelte bei dem Gedanken an Rachel, die jetzt allein in ihrer Kammer lag. Vorsichtig stellte er sein Glas ab, um Feuer zu machen.

Als die Flammen loderten und die Glut eine sanfte Wärme verbreitete, trank er das Glas mit großen Schlucken aus. Dann goß er sofort nach und trank noch einen großen Schluck. Nach wenigen Minuten spürte er, wie der Schlag seines Her­zens immer schneller wurde. Jeder Takt preßte inwendige Wärme in die entferntesten Regionen seines Körpers und ver­breitete jene Gleichgültigkeit, die er als Wir­kung des Alkohols so sehr schätzte.

Hastig goß er nach und trank und wartete, bis auch der letzte Tropfen Alkohol sein Blut überschwemmt hatte. Dann gestand er sich ein, was er ohne Alkohol nie gewagt hätte. Er hatte Ra­chel respektiert, ihre zurückhaltende Art, ihn gewähren zu las­sen, geschätzt, aber er hatte sie nicht geliebt. Oder vielleicht doch? Seine Augen starrten in das Feuer und versuchten, eine Flamme zu fixieren. Vielleicht war es ja eine andere Liebe, die sie verbunden hatte, nicht jenes besitzergreifende Gefühl der Jugend, das einen blöde Dinge tun ließ, um die Aufmerksam­keit der Angebeteten zu wecken. Sondern . . .

Die Flammen tanzten vor seinen Augen. Sondern die Liebe reifer, erwachse­ner Menschen, die eine Ehe eingegangen waren, weil es das Naheliegendste war. Schließlich hatte er bei ihr, und nur bei ihr, von Anfang an eine besondere Vertrautheit gespürt, die er vorher nicht gekannt hatte. Schließlich hatte er gewisse Zärtlichkeiten nur ihr zukommen lassen, keiner anderen Frau jemals zuvor. Und immer, wenn es ihm gelungen war, sie zu überraschen, hatte sie ihn mit fra­genden Augen angesehen und dann übermütig gelacht und ih­ren Körper fest gegen den seinen gedrückt.

Dabei hatte er nur verhandeln wollen mit ihr, damals, als sie aus London zurückkam, um ihren Vater zu beerdigen und das Gut zu übernehmen, weil es keinen Bruder gab, der das Erbe hätte antreten können. Und weil sie sich standhaft weigerte, das Land, ihr Land, zu verkaufen, hatte er ihr geholfen und sie beraten. Denn nach all den Jahren in der Stadt hatte sie von der Landwirtschaft nicht die geringste Ahnung mehr. Er war auch dann noch jeden Tag zu ihr gekommen, als sie längst imstande war, den Hof ohne fremde Hilfe zu führen. Als alle Welt schon über sie beide sprach, waren sie tatsächlich ein Paar geworden, so, als wäre das die normalste Sache der Welt. Nach der Bestel­lung des Aufgebots hatten die Freunde ihm anerkennend auf die Schulter geklopft und ihm versichert, daß er die begehrte­ste Frau weit und breit abbekommen hatte. Stolz hatte er eine Runde spendiert, und alle hatten ihr Glas erhoben und ihm zu­geprostet.

Jetzt war sie tot, nachdem sie das Kind geboren hatte, auf das sie so lange gewartet hatten. Thomas wurde das Gefühl nicht los, daß er Rachel betrogen hatte all die Jahre. Nicht mit einer anderen Frau, nein, sondern weil er die ganzen Jahre sein Leben weitergeführt hatte, wie er es gewohnt war. Nur daß er eben verheiratet war, das hatte sich geändert. Daß nicht nur seine Mutter und sein Vater im Hause waren, sondern auch eine Frau.


Der wilde Tanz der Flammen verursachte ihm Schwindel. Langsam schloß er die Augen und lauschte nur auf das Kni­stern des Feuers, das manchmal durch einen lauten Knall zer­rissen wurde, wenn die Feuchtigkeit in den Scheiten explo­dierte.

* * *

Ein leises Klopfen weckte ihn aus einem unruhigen, traum­losen Schlaf. Das graue Licht eines tief wolken­verhangenen Himmels füllte den Raum, als Thomas die Augen aufschlug. Erinnerungslos stierte er in die dunkle Öffnung des Kamins. Einige Sekunden brütetete er dumpf über der Frage, warum die leere Whiskeyflasche im Kamin lag, und warum er die Nacht im Sessel und nicht im Bett verbracht hatte. Doch dann fiel ihm Rachel wieder ein, die heute nicht in der Küche darauf wartete, daß er vom Feld oder aus dem Stall zum Frühstück käme, die auch nicht im Krankenhaus ihren Sohn in Armen hielt und glücklich lächelte, und sofort packte dieser würgende Schmerz ihn wieder, den er vergangene Nacht mit dem Whiskey bekämpft hatte solange, bis die Flasche leer war. Dann hatte er sogar noch die letzten Tropfen vom Flaschenhals geleckt, aber das Bild der toten Rachel war nicht verschwunden. Nur weil er schon zu betrunken gewesen war, hatte er keine neue Flasche geholt, sondern die leere einfach in den Kamin geworfen, in dem das Feuer längst erloschen war. Irgendwann in der Morgendämmerung mußte er dann einge­schlafen sein.

Ein jäher Schmerz flutete seinen Körper, als er zu heftig versuchte, den Schlaf von den Lidern zu schütteln. So schloß er noch einmal die Augen und blieb regungslos sitzen, bis das dumpfe Klirren unter seiner Schädeldecke nachgelassen hatte.

„Ja“, rief er mit einer fremden Stimme, als es noch einmal leise, beinahe entschuldigend, klopfte. Ohne sich zu bewegen, öffnete Thomas langsam die Augen und drehte den Kopf nur so weit, daß er die Tür sehen konnte. Vorsichtig ging ein Flügel auf und Beth, das Hausmädchen, er­schien im Rahmen, ein Tablett in der Hand.

„Guten Morgen. Ich bringe ihr Frühstück. Ihre Mutter meint, Sie müssen was essen“, sagte sie und blickte über Thomas hinweg auf das Fenster. Ihr rundes Gesicht war noch röter als sonst. Unregelmäßige rote Flecken leuchteten auf ihrem Hals und ihrem Dekolleté.

„Stell es auf die Kommode“, befahl er. Als er bemerkte, daß er noch immer wie ein kleines Kind auf dem Sessel kau­erte, sprang er auf. Angestrengt bemühte er sich, den anschwellen­den Schmerz unter seiner Schädeldecke zu ignorieren, der leichte Stromstöße in seine Nervenbahnen schickte. Gegen den Schwindel stützte er sich mit einer Hand an der Lehne des Sessels ab. Der Geruch von frischem Tee und Toast, von Schinken und Eiern verbreitete sich im Raum. Bei dem Gedanken an Essen wurde ihm übel.

„Laß den Tee hier. Alles andere kannst du wieder mit­nehmen“, sagte er.

Hinter seinem Rücken hörte er, wie Beth das Tablett von der Kommode nahm und dann die Kanne mit Tee und die Tasse wieder zurückstellte. Ungeduldig wartete er darauf, daß Beth das Zimmer wieder verließ. Als er sich umdrehte, stand sie immer noch an der Kommode, das Tablett fest mit beiden Händen umklammert. Dicke Tränen liefen über ihr Gesicht und tropften auf den Teller mit dem Schinken und den Eiern.

„Ist noch was?“, fragte Thomas. Seine Stimme klang schroff.

„Das mit Rachel, … ihrer Frau, meine ich. Es ist so, . . ., was soll denn jetzt werden? Wer soll sich denn um das Baby kümmern..?

„Ist gut, Beth. Du kannst jetzt gehen“, unterbrach er sie und bemühte sich, seiner Stimme einen freundlicheren Klang zu geben. Beth nickte zaghaft, dann wischte sie sich mit der weißen Schürze, die sie auf Anweisung seiner Mutter immer im Haus trug, die Tränen von den Wangen.

„Danke, Beth“, fügte er noch hinzu. „Mach dir keine Sorgen, wir werden schon eine Lösung finden.“

Ein schüchternes Lächeln überflog ihr Gesicht, als sie sich zur Tür wandte.

„Warte noch“, rief Thomas ihr hinterher. „Sag deinem Vater, er soll zu den Wiesen im Tal kommen. Wenn es weiter regnet, müssen wir das Vieh in die Ställe zurücktreiben.“

„Vater ist heute morgen ganz früh außer Haus. Ich glaube, er wollte darüber mit ihnen reden, wenn er die Milch abgeliefert hat.“

Dann schloß sie die Tür, und Thomas hörte, wie das Geklirr des Tabletts und ihre Schritte im Treppenhaus immer leiser wurden.

Mit einer Tasse Tee in der Hand trat er an das Fenster. Der Regen hatte aufgehört. Ein böiger Westwind riß Löcher in die Wolkendecke und fuhr in das blattlose Geäst der Weiden am Flußufer. Das heiße, bittere Getränk brannte in seinem Magen. Während er noch überlegte, was zu tun sei, setzte auf der anderen Seite des Flusses der Regen schon wieder ein.

* * *

Seine Mutter mußte auf ihn gewartet haben. Als Thomas die letzten Stufen herunterkam, eilte sie aus der Küche und emp­fing ihn im Flur, wo sie sich an dem zapfenförmigen Knauf, der den Abschluß des Geländers bildete, festhielt.

„Ich muß mit dir reden“, sagte sie, und ohne auf eine Antwort zu warten sprach sie weiter.

„Ich habe mit dem Pfarrer gespro­chen. Die Beerdigung findet übermorgen um 10 Uhr statt. Es ist dir doch recht, wenn ich mich um alles kümmere?“

Nichts in ihrem Gesicht verriet, daß sie um Rachel, ihre Schwie­gertochter, trauerte. Wie immer vermittelte ihre ganze Haltung den Eindruck strenger, unbeugsamer Disziplin, jener Disziplin, mit der sie, solange Thomas zurückdenken konnte, den Haushalt führte und darüber wachte, daß kein Penny zuviel ausgegeben wurde. Jener Disziplin, mit der die Magd aus dem Westen schon den passenden Ehemann gefunden hatte, einen, der mehr versprach als ein Knecht, der sein Leben lang nur die Felder anderer Leute be­stellte. Und als der junge Timothy O’Leary ihr endlich das Ja-Wort gegeben hatte, da ließ sie diesem Ehemann mit derselben unerbittlichen Disziplin vier Jahrzehnte lang alle seine Sauftouren durchge­hen, solange der nur keine Gelegenheit verpaßte, wo er ein Stück Land billig erwerben und Vieh teuer verkaufen konnte.

Auch heute schien es keinen Grund für sie zu geben, von dieser Haltung abzuweichen. Nur an dem schlichten Kostüm aus schwarzem Georgette, das sie heute das erste Mal trug, seit sie es vor ein paar Jahren ohne ersichtlichen Grund hatte anfertigen lassen, würde jeder erkennen, daß auch in dieser Familie ein Toter zu beklagen war.

„Thomas, hörst du mir überhaupt zu. Ich sagte, wir müssen am Morgen der Beerdigung das Kind aus der Klinik holen.“

„Ja, Mutter, ich habe schon verstanden. Mach alles so, wie du es für richtig hältst“, antwortete Thomas, der nicht auf die letzten Worte seiner Mutter geachtet hatte.

„Gut, dann werde ich mich jetzt um die Gästeliste für das Essen nach der Beerdigung kümmern“, sagte sie und ging wieder in die Küche. Von der Seite sah Thomas, wie ein Zug von Enttäuschung in ihren Mundwinkeln hing. Und von Bitterkeit, den er in letzter Zeit schon häufiger an ihr bemerkt hatte.

„Danke, Mutter“, rief er ihr leise hinterher.

„Wofür?“, fragte sie und drehte sich wieder zu ihm um.

„Weil du dich um alles kümmerst.“

„Das ist doch selbstverständlich“, sagte sie und hob die Hände zu einer abwehrenden Geste.

* * *

Als Thomas von der Landstraße auf den Feldweg einbog, der den Hang hinab zu den Weiden führte, kam Callahan ihm mit dem Traktor entgegen. Sofort fuhr er den Landrover an den Rand und sah zu, wie der Hänger an den Stellen, an denen das Wasser nicht hatte ablaufen können, bis über die Räder im Schlamm versank, und seine Ladung gefährlich hin und her schwankte. Im Tal, wo sich das Wasser von den Hängen gesammelt hatte, war ein seichter See entstanden, aus dem nur einzelne Grasbüschel wie kleine Inseln herausragten. Sogar die frisch behauenen Pfähle des Zauns, den er vor einigen Tagen zusammen mit Callahan gezogen hatte, standen jetzt im Wasser. Wenn die Sonne sich im Wasser brach und der Wind die Oberfläche leicht kräuselte, sah das Tal aus wie eines jener Postkartenmotive, mit dem Touristen die Zuhausegebliebenen beeindrucken konnten. Aber Touristen verirrten sich selten hierher, weil es keine Sehenswürdigkeiten gab, die es wert waren, in einem Reiseführer erwähnt zu werden. Und Thomas, der als Junge immer am Flußufer herumgezogen war und Forellen mit der Hand gefischt hatte, sah in dem vermeintlichen See nur eine böswillige Laune der Natur, von der es das Vieh fernzuhalten galt.

Langsam kam der Traktor näher, und Thomas konnte Callahan erkennen, der in seine speckige Lederjacke gehüllt war und den Hut tief ins Gesicht gezogen hatte.

Als er nur noch wenige Meter entfernt war, kurbelte Thomas das Seitenfenster herunter und streckte den Arm hinaus. Direkt neben dem Wagen kam der Traktor zu stehen. Callahan tippte mit einem Finger an seinen Hut, dann drehte er sich um und warf einen Blick auf seine Ladung. Erst als er sich überzeugt hatte, daß die Milchkannen in Reih und Glied standen, wandte er sich an Thomas.

„Guten Morgen“, sagte er und blickte dabei unsicher an Thomas vorbei. „Mit ihrer Frau, das tut mir leid. Das ist ja eine furchtbare Geschichte. Wenn sie Hilfe brauchen . . .“

„Danke, Callahan. Meine Mutter kümmert sich um alles“, antwortete Thomas. „Wie sieht es da hinten aus?“

„Hm, ich glaube, wir haben noch einmal Glück gehabt“, sagte Callahan jetzt sichtlich erleichtert, „wenn es nicht weiter regnet und keine Kälte kommt, können wir das Vieh draußen lassen. Der Boden ist zwar aufgeweicht, aber am Hang ist das Wasser abgelaufen. Die Frage ist nur, ob sich die ganze Arbeit überhaupt noch lohnt. Die Milchpreise sind schon wieder gefallen.“

„Solange sie ihr Geld pünktlich bekommen“, unterbrach Thomas ihn kühl, „kann es ihnen egal sein, wie die Milchpreise sind.“

„Da haben sie recht, das ist nicht mein Problem“, sagte Callahan und strich sich mit einer Hand verlegen übers Gesicht.

„Ich mein ja nur . . .“, fuhr er fort, „na ja, ist auch egal. Ich muß weiter. Der Wagen von der Molkerei wartet nicht auf mich.“

Dann tippte er noch einmal an seinen Hut und fuhr langsam davon. Im Rückspiegel sah Thomas, wie der Traktor schwankend auf die Straße bog und zur nächsten Kreuzung fuhr, wo jeden Morgen ein Wagen auf die Milchlieferung wartete, um sie in die Molkerei zu bringen. Thomas wartete, bis Callahan nicht mehr zu sehen war. Dann wendete er den Landrover und fuhr auf der Straße in die entgegengesetzte Richtung hügel­abwärts.

Überall hatte der Regen den Boden knöcheltief aufgeweicht. Wo das Wasser keinen Weg gefunden hatte, da hatte es sich einen Weg gebahnt und die fette, fruchtbare Erde mitgerissen. Noch ein paar Tage Regen, und die Saat würde endgültig im Boden verfaulen. Monate harter Arbeit wären dahin, hinweggeschwemmt von einer Sintflut, wie sie dieses Land kaum kannte, das doch weiß Gott nicht arm an Regen war. Thomas spürte, wie Bitterkeit in ihm aufstieg, Bitterkeit über ein Land, das seine Bewohner in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder gezwungen hatte, das Glück anderswo zu suchen, alle paar Jahrzehnte die Jungen in die Fremde getrieben hatte, bis fast nur noch die Alten da waren, die nicht mehr weg wollten oder nicht mehr weg konnten, weil sie kein Leben mehr in die Waagschale werfen konnten, das genügend Gewicht besaß, um für ein Einkommen anderswo zu sorgen. Sicher, die O´Learys waren wohlhabend, und eine Mißernte würde sie nicht an den Bettelstab bringen. Früher hatte sein Vater geradezu darauf gewartet, bis wieder ein Bauer aufgab, weil die Natur ihm übel mitgespielt hatte. Dann hatte er ihm Land und Vieh abgekauft, und er hatte solange mit dem Unglücklichen gefeilscht, bis es nur noch für einen bescheidenen Neuanfang im Ausland reichte. Glück und ein eiserner Wille hatten ihn über die Jahrzehnte jedes schlechte Jahr überstehen lassen. Und seit er nicht mehr selbst auf den Feldern arbeitete, hatte er viel Zeit darauf verwandt, Berge von amtlichen Verordnungen zu studieren. Verordnungen, in denen alles geregelt und für beinahe jedes Unglück eine Entschä­digung vorgesehen war. Für Mißernten, Seuchen und Preisein­brüche.

Nein, seine Familie würde auch ein schlechtes Jahr über­stehen. Sogar zwei. Sie würden nicht verhungern und wären auch nicht gezwungen, auszuwandern wie die Geschwister seiner Mutter. Aber wozu sollte er sich plagen, sich immer weiter abrackern, jetzt, da Rachel tot und er allein mit seinen Eltern und einem Kind war, das er nur einmal durch eine Trennscheibe hatte sehen dürfen. Sicher, er hatte einen gewissen Stolz empfunden, als er das kleine Bündel mit dem zerknitterten roten Gesicht in den Armen der Schwester gesehen hatte. Aber jenes sturztrunkene Glück, das andere Väter lautstark der Welt verkündeten, hatte er nicht gefühlt. Auch jetzt wollte es sich nicht einstellen, dieses Glücksgefühl, das erwachsene Männer blöde auf ihren Nachwuchs stieren ließ und doch nichts anderes war als der verzweifelte Versuch, sich über die Sinnlosigkeit des eigenen Daseins hinweg­zulügen. Wieso sollte sich diese unsinnige Freude ausger­echnet jetzt einstellen? Wieso sollte er ein Kind lieben, das die Kräfte seiner Mutter so sehr aufgebraucht hatte, daß sie der Seuche nichts mehr entgegenzusetzen hatte?

Beim Anblick der verwüsteten Felder im Talgrund hielt er an. Dann wendete er den Wagen und fuhr zurück.

* * *

Seine Mutter empfing ihn in der Eingangshalle, als er gegen Mittag wieder zu Hause ankam.

„Gut, daß du zurück bist“, sagte sie und winkte ihn zum Salon. „Rachel ist wieder da.“

„Was?“, rief Thomas entgeistert. Plötzlicher Schrecken trieb seine Stimme in eine unnatürliche Höhe.

„Deine Frau ist hier, Thomas“, sagte seine Mutter, „ich habe sie aus dem Krankenhaus holen lassen. Bis zur Beerdigung wird sie im Haus aufgebahrt. Wir konnten sie doch nicht im Krankenhaus lassen. In dieser schäbigen Kammer.“

Immer noch hielt sie ihm auffordernd die Hand hin. Als Thomas nicht reagierte, lief sie zur Tür und schob sie vorsichtig auf. Leises Gemurmel drang aus dem Raum, in dem für gewöhnlich Geschäftsabschlüsse und Familienfeste gefeiert wurden.

„Komm schon“, forderte sie ihn noch einmal auf. „Willst du deine Frau nicht sehen?“

„Doch, Mutter, natürlich“, sagte er mit leiser Stimme. Seine Schritte waren unsicher und sein Magen krampfte sich zusammen, als er in das Zimmer trat.

Der mächtige, auf Hochglanz polierte Sarg stand in der Mitte des Raums. Der Tisch war weggeschafft worden. Statt dessen hatte man ein halbhohes Podest gebaut, das mit schwarzem Samt bis zur Erde bedeckt war. Darauf war der Sarg so abgestellt, daß jeder, der eintrat, der Toten sofort gegenüber stand. Thomas konnte gar nicht anders, als auf seine tote Frau zu blicken, auch wenn er sich dazu zwingen mußte. Man hatte Rachel ihr schwarzes Kostüm angezogen, das sie zuletzt bei der Beerdigung ihres Vaters getragen hatte. Ihr Haar war sauber gescheitelt und im Nacken zusammengebunden. Während er noch an der Tür stand und auf Rachel starrte, fand die Sonne eine Lücke zwischen den Wolken und überflutete das Zimmer mit einem kräftigen Frühlingslicht. Krampfhaft versuchte Thomas sich vorzustellen, daß seine Frau nur schliefe und die alten Weiber, die um den Sarg saßen, nur gekommen waren, um den Schlaf der jungen Mutter zu bewachen. Doch Rachels Gesicht sagte ihm, daß diese kindische Hoffnung sich nicht erfüllen würde. Der spöttische Ausdruck war vollkommen daraus gewichen und hatte einem furchtbaren Ernst Platz gemacht. Jetzt sah sie aus, als hätte sie eben erst begriffen, daß sie wirklich tot war. Daß das kein Spiel war, mit dem sie ihn doch nur hatte erschrecken wollen, sondern ein Versehen, das jetzt nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte. Abwesend nahm er die Beileidsbezeugungen der Nachbarinnen entgegen, während seine Mutter die Vorhänge zuzog. Als die Frauen sich wieder um den Sarg versammelt hatten, wo sie sofort wieder in ihren monotonen Sing­sang verfielen, verließ Thomas das Haus.

* * *

Die zwei Nächte bis zu Rachels Beerdigung verbrachte er im Hause von Seamus. Ohne viel zu fragen, hatte der ihn hereingebeten und ihm ein Bett in der Kammer unterm Dach hergerichtet. Dann war er verschwunden, ohne ein Wort, wie er es öfter tat, nachdem er noch Vorräte für mindestens eine Woche und noch mehr Alkohol besorgt hatte. Tagsüber kümmerte Thomas sich nur um das Notwendigste und vermied es, dabei auch nur in die Nähe seines Elternhauses zu kommen. Nachts trank er solange, bis er Rachel vergaß und in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel. Nur einmal wurde er in dieser Einsamkeit aufgeschreckt, als Callahans Wagen am Abend vor der Beerdigung vor der Tür hielt und sein Vater ausstieg, während Callahan hinter dem Steuer sitzen blieb. Der Alte war nur gekommen, um ihm an der Tür mitzuteilen, daß seine Mutter ihn am anderen Morgen zeitig genug erwarte, um das Kind aus dem Krankenhaus zu holen. Dann war er wieder zum Wagen gegangen, ohne sich noch einmal umzudrehen, und hatte Callahan angewiesen, ihn wieder nach Hause zu bringen.

Daß Thomas jetzt in der Kirche saß, rechtzeitig vor Beginn der Totenmesse, hatte er nur Seamus zu verdanken, der früh genug an diesem Morgen zurückgekehrt war, ihn geweckt und dann zuerst nach Hause gebracht hatte, wo er sich umzog und rasierte. Weil das Haus verschlossen und leer gewesen war, als sie ankamen, hatten sie sich direkt auf den Weg zur Kirche gemacht, wo seine Mutter ihn, das Kind auf dem Arm, mit einem strengen Blick empfing.

Alle Nachbarn und viele Bekannte aus dem Dorf waren gekommen und hatten ihn verstohlen angeblickt, als er als letzter die Reihen abschritt und neben seiner Mutter Platz nahm. Ohne Scheu hatte er sie alle gemustert, die nur gekommen waren, weil sie der Familie O´Leary eine Ehre erweisen wollten. Und nicht Rachel, die kaum einer näher ge­kannt hatte.

Wie eine mächtige Kostbarkeit ragte der geschlossene Sarg vor dem Altar bis beinahe an die erste Reihe. Wenn Thomas die Hand ausstreckte, könnte er das glänzende schwarze Holz berühren, das noch im Tod vom Reichtum und der Bedeutung der O´Learys kündete. In dem schwarz glänzenden Lack spiegelte sich konturlos sein Gesicht, durch die umlaufende Bordüre und die flache Wölbung des Deckels grotesk verzerrt und verschoben wie auf den Bildern jenes englischen Malers, von dem sie auf Rachels Wunsch hin eine Ausstellung in einer Londoner Galerie besucht hatten. Damals, als sie ihm auf der Hochzeitsreise die Stadt zeigte, in der sie studiert und gelebt hatte, bis ihr Vater starb. Und sie mit dem festen Vorsatz zurückkam, alles zu verkaufen und dann zurückzukehren in ein Leben, das ihr mehr gefiel als die Ödnis im Tal ihrer Kindheit und Jugend.

Als alle sich erhoben, stand automatisch auch Thomas mit auf. Von zwei Ministranten flankiert schritt der Pfarrer an den Altar, kniete kurz nieder, bekreuzigte sich und wandte sich an die Trauergemeinde. Vor dem Meßtisch musterte er die Anwesenden, während er darauf wartete, daß die unsichere Violine auf der Empore ihr Stück beendete, ein Stück, das angemessen traurig klang, auch wenn der Melodie deutlich anzuhören war, daß der unsichtbare Spieler im Rücken der Gemeinde es eher gewohnt war, ausgelassene Lieder vor einer Thekenrunde zum Besten zu geben.

Bei einem mißglückten Akkord endete das Spiel. Sofort hob Pfarrer Kerrigan die Arme zum Kreuzzeichen. Er hatte jedoch nicht mit der Hartnäckigkeit des Geigenspielers gerechnet und dessen Ehrgeiz, den Trauernden eine angemessene Darbietung zu liefern. Nach einer kurzen Pause setzte das Spiel wieder ein, zwei Takte vor dem schwierigen Akkord. Diesmal meisterte der Spieler die schwierige Stelle zu seiner Zufriedenheit, und, angefeuert von diesem Erfolg, schien er entschlossen, das Stück zu Ende bringen zu wollen. Nur etwas schneller spielte er jetzt, zu schnell für die traurige Melodie. Entgeistert ließ Kerrigan den Arm sinken, und als der Geiger sich auch durch eine mißmutige Geste des Pfarrers zur Empore hin nicht bremsen ließ, wurde das Gesicht des Geistlichen ungewohnt schmallippig und noch eine Spur röter als sonst.

Als er endlich fertig war, hob Kerrigan erneut die Arme zum Kreuzzeichen, und man merkte ihm die Entschlossenheit an, sich nicht mehr unterbrechen oder aufhalten zu lassen. Dankbar bekreuzigten sich die Anwesenden und nahmen wieder Platz. Vielleicht etwas schneller als sonst leitete er dann die Totenmesse, mit versteckten Gesten trieb er die Ministranten zur Eile und ließ kaum Pausen zwischen Gebeten und Gesängen.

Nur einmal mußte Kerrigan sich noch unterbrechen, als er gerade Rachel pries und den unerforschlichen Ratschluß des Herrn verteidigte, der eine junge Mutter und treue Gattin zu sich genommen hatte, anstatt . . . Da stockte er. Nicht nur, weil ihm angesichts der vielen Alten vor seinen Augen kein passendes Ende seines Satzes einfallen wollte. Sondern auch, weil in diesem Augenblick das schwere Portal der Kirche aufging und ein schmaler Streifen Sonnenlicht sich schräg über die letzten Bänke legte. Als frivoles Klappern von Absätzen die Stille zerriß, fing das Kind in den Armen seiner Großmutter an zu schreien, und auch Thomas erwachte aus seiner dumpfen Abwesenheit, die es ihm erlaubt hatte, nicht an Rachel zu denken und auch nicht daran, warum sie alle hier waren. Langsam drehte er sich wie alle anderen um. Eine junge Frau in einem hellen Kostüm, eine Reisetasche in der Hand, stand am Eingang. Unsicher eilte ihr Blick durch die Reihen ihr fremder Gesichter, bis er am Sarg hängenblieb. Dann fing sie leise an zu weinen, und ihre Hände krampften sich um die Riemen ihrer Tasche.

„Willkommen im Hause des Herrn sind alle“, rief Kerrigan der Unbekannten von der Kanzel herab zu. „Sofern sie lauteren Herzens sind.“

Auf Zehenspitzen, langsam und schleppend ging die Fremde daraufhin bis zur letzten Bank, wo sie ihre Tasche einfach im Gang abstellte, um sich mit beiden Händen beim Setzen abstützen zu können.

Als alle sich wieder dem Pfarrer zugewandt hatten, nahm er seine Ansprache wieder auf, an der Stelle, an der er unterbrochen worden war. Noch einmal verteidigte er den unerforschlichen Ratschluß des Herrn, dem der Mensch sich zu fügen habe, auch wenn er ihn nicht verstehe. Diesmal versank Thomas nicht wieder in seine teilnahmslose Apathie. Laut und deutlich hörte er die Worte des Geistlichen, und er spürte, wie Zorn in ihm aufstieg, Zorn auf einen Mann, der nie eine Frau hatte und nie eine haben würde, die er verlieren konnte. Zorn auf einen Gott, der ihm die Frau genommen hatte und jetzt von ihm erwartete, daß er dies klaglos hinnahm. Und dieser Zorn steigerte sich noch, als er hinter dem Sarg, seinen Sohn auf dem Arm, ins Freie trat, in eine prachtvolle Sonne, die lotrecht und ungerührt auf den Trauerzug schien. So, als ob der Gott, von dem Kerrigan gesprochen hatte, sein Werk geprüft und es für gut befunden hatte und ihn, Thomas, verspotten wollte. Indem er nach einer Nacht mit Dauerregen die Sonne scheinen ließ, so wunderbar, hell und warm, daß sie eher zu Hochzeiten und Freudenfesten paßte als zu Beerdigungen.

Als die Träger mit dem Sarg auf ihren Schultern in den Friedhof einbogen, blickte Thomas zurück. Die seltsame Fremde in ihrem unpassenden Aufzug hatte sich ihnen angeschlossen. Als letzte folgte sie der Trauergemeinde. Ihre Tasche hatte sie vor die Brust geklemmt und den Blick zu Boden gerichtet, um die Bretter nicht zu verfehlen, die der Friedhofswärter ausgelegt hatte, damit niemand im Matsch waten mußte.

Dankbar überließ Thomas sich seinem Zorn, jenem wunderbaren Stachel, der schon den Halbwüchsigen getrieben hatte, jeder Ungerechtigkeit zu trotzen. Wenn sein Vater ihn wieder einmal wegen einer Nichtigkeit durchgeprügelt hatte, waren Zorn und Trotz immer seine besten Waffen gewesen gegen Tränen und Schmerz. Und auch die Demütigung, dem grimmig dreinblickenden Mann seine Sünden erzählen zu müssen, während dessen stechender Atem den Beichtstuhl verpestete, und dann zu einer ungebührlich hohen Buße verpflichtet zu werden, auch solch eine Demütigung ließ sich mit diesen Waffen bekämpfen. Trotzig gefaßt trat er darum an das offene Grab, schaufelte einen Klumpen nasser Erde auf den Sarg und warf einen Strauß roter Rosen hinterher, den seine Mutter ihm in die Hand gedrückt hatte, während sein Sohn gleichmäßig in sein Ohr atmete und seine dünnen Ärmchen im Halbschlaf nach einem Halt suchten in seinem Gesicht.

Gefaßt und unbewegt ließ er auch die Schlange an sich vorbeiziehen, die sich nach den letzten Worten des Priesters gebildet hatte, um ihm das Beileid auszusprechen. Stumm schüttelte er Hände, erwiderte die paar Worte mit einem Kopfnicken und vermied jeden Blick in die Gesichter.

Als letzte trat die Fremde mit ihrer Reisetasche an das offene Grab und warf eine Schaufel Erde auf den Sarg. Als sie vor Thomas stand, fing sie zu weinen an. Bevor sie ihm die Hand gab, wischte sie sich mit dem Ärmel ihres Kostüms umständlich die Tränen aus ihrem Gesicht.

„Das ist so schrecklich“, sagte sie und hielt seine Hand fest. „Sie kennen mich gar nicht. Ich bin . . .“

„Sie sind Helen, nicht wahr“, unterbrach seine Mutter die junge Frau.

Sie nickte und ließ Thomas´ Hand wieder los.

„Rachel hat sie erwartet“, sagte seine Mutter. „Sie bleiben doch jetzt bei uns? Trotz alledem. Ein paar Tage wenigstens.“

„Ich . . . ich weiß nicht“, antwortete Helen verlegen und blickte zu Thomas.

„Doch, natürlich bleiben sie“, beharrte seine Mutter, „Rachel hat sich so gefreut, daß sie kommen. Auch jetzt würde sie wollen, daß sie bleiben. Ihr Zimmer ist schon hergerichtet.“

* * *

In ihrem Büro nahm sie die sauber geschriebene Liste der eingegangenen Telefonate von ihrem Schreibtisch, und für den Rest dieses Montags versteckte sie die Angst vor der absehbaren Überraschungslosigkeit ihres Lebens zwischen Telefonaten und zähen Verhandlungen, zwischen beruhigender Routine und entspanntem Geplauder bei einer Tasse Tee, den Liz, ihre Sekretärin, immer unaufgefordert servierte, wenn die Tasse mal wieder leer war.

Erst am Abend, erst nachdem sie unter einem wolkenver­han­ge­nen Himmel nach Hause gefahren war, zerbrach der Betrug, als sie die Tür aufschloß, weil sie in ihrer Wohnung keine Verstecke wußte und auch keine fand in ihrer Erschöpfung. Achtlos streifte sie ihre Schuhe ab und lief auf nackten Füßen durch die dunkle Diele, die nicht zu einer Wohnung führte mit Erinnerungen an eine Vergangenheit und Hoffnungen für eine Zukunft, sondern in eine Herberge, nicht mehr als ein Dach über dem Kopf, gut genug für eine Gegenwart von ungewisser Dauer, meist nicht mehr als die Stunden ihres Schlafs.

Nomaden wir sind Nomaden hochbezahlte Nomaden die ihr Segel setzen in einen Wind den keine Sonne gemacht hat und keines der Meere wir schlagen unsere Zelte auf und brechen sie wieder ab und treiben umher ohne Kompaß und Lot auch die Sonne bietet keine Orientierung nur Börsenkurse und Bilanzen aber die Ekstasen des Geldes bleiben uns verwehrt wir sind nur Diener heimatlose Diener die ihre Zeit verkaufen auf einem launischen Markt den keiner kennt keiner weiß wo er veranstaltet wird und wann klaglos folgen wir an jeden Ort keiner fragt nach unseren Wünschen aber ich

Als sie die Tür zu ihrem Wohnzimmer öffnete, schlug ihr die aufgeräumte Stille ins Gesicht, und sie brauchte eine Minute, bis sie sich davon erholt hatte. Erst als die Fernsehbilder ihr Gesellschaft leisteten, setzte sie sich in den Sessel unter dem Fenster und vergaß ihren Hunger, weil schöne junge Menschen tonlos Liebe spielten in dem gewölbten Viereck ihr gegenüber in der anderen Ecke des Raums.

* * *

Eine Viertelstunde ließ Thomas verstreichen, nachdem Helen im Haus verschwunden war. Dann erst stieg er aus dem Wa­gen, den er so geparkt hatte, daß Helen ihn nicht sehen konnte, weil er unbedingt den Eindruck vermeiden wollte, als hätte er auf sie gewartet. Eher beiläufig sollte sein Besuch wirken, zufällig wie ein spontaner Einfall. Und doch schwitzten seine Hände so stark, als er auf die Klingel drückte und auf das Schnarren des Türöffners wartete, daß das Seidenpapier um die Flasche Wein, die er zwei Stunden zuvor gekauft hatte, ganz dunkel vor Nässe war.

Anderthalb Stunden hatte er gewartet und zugesehen, wie das Portweinrot des Abendhimmels vom Bleigrau einer Re­gen­front beiseite geschoben wurde. Nur unter einem Vorwand war es ihm gelungen, Callahan die Arbeit im Stall aufzuhalsen, um so früh wie möglich von zu Hause wegzukommen.

Vorsichtig sah er sich um, während die Sekunden sich zu kleinen Ewigkeiten dehnten. Das durchlässige Grau der Däm­merung sammelte sich in den Straßen. In den Häuserecken abseits der Straßenlaternen dickte es ein zum undurch­dringlichen Schwarz der Nacht. Niemand war jetzt noch unterwegs. Vor dem erwarteten Gewitter waren alle geflüchtet. Nur von Finnis’ Pub auf der anderen Seite der Kreuzung trug der aufkommende Wind hin und wieder Fetzen von Musik und ein unverständliches Durcheinander von Männerstimmen herüber.

Endlich sprang die Tür auf, als Thomas schon überlegte, ob er ein zweites Mal klingeln sollte. Oder ob es nicht besser wäre, zu verschwinden, den Abend in der Railway Bar zu verbringen und später bei Helen anzurufen, Hallo, ganz beiläufig, ich bin hier, wollen wir uns sehen, hast du Zeit, willst du in die Bar kommen auf ein Glas, oder soll ich . . .?

Aber jetzt war die Tür offen und schwang einige Zentimeter in den dunklen Flur, und Thomas packte die Flasche fester und trat ein. Er suchte nicht nach dem Lichtschalter, weil in dem Augenblick ein schmaler Streifen Licht die Treppen herunter­fiel, gerade genug, daß er den Weg fand und nicht über eine Stufe stolperte. Das nervöse Pulsen in seinem Hals gab den Takt vor, aber seine Schritte wollten dieser Melodie nicht folgen. Auf dem Absatz sah er Helen als Scherenschnitt in dem erleuchteten Türrahmen stehen, sie hatte sich umgezogen, irgend etwas Weiches, Bequemes, das über die Knie reichte. Jetzt konnte er nicht mehr zurück, darum stieg er auch die letzten Stufen empor, und als er oben war, konnte er auch ihr Gesicht erkennen, das von dem dünnen Licht einer nackten Birne in ihrem Rücken nur dunkel ausgeleuchtet war. Er woll­te schon auf sie zugehen, ihre Augen sagten, Komm herein, er such­te nach den Worten, die er sich zur Begrüßung zurecht­gelegt hatte, aber ihr Mund sagte, Habe ich dich jetzt jeden Abend am Hals, da packte er die Flasche noch fester und er hörte, wie seine Stimme aus weiter Ferne sagte, Ich dachte, ich weiß nicht, wir . . .

Aber da liefen seine Beine schon wieder die Treppe hinunter und der Rest kam irgendwie hinterher. An der Tür war alles wieder richtig zusammengesetzt, der Leib und die Beine und der Kopf, und die Arme waren an der richtigen Seite festgenietet, er hörte, wie oben die Tür schlug, dann gingen seine Beine ins Freie, dicke Tropfen fielen mit einem schmatzenden Geräusch vereinzelt, dann immer dichter, und als er im Wagen saß, verlief sich ein Donner in den Straßen und versandete in Steingärten vor trübe erleuchteten Fenstern.

Sein Gesicht brannte wie Feuer, seine Zunge war steif wie ein frisch gestärktes Handtuch, der trockene Schwamm seines Gehirns verlangte nach Alkohol, um die Scham zu lindern, die brennende Demütigung vergessen zu machen. Bis seine Hände sich beruhigt hatten, wartete er in der blöden Hoffnung, daß alles nur ein dummes Mißverständnis war, daß Helen aus der Tür gelaufen käme und ihn mit einem Lächeln einlud, die Nacht mit ihr zu verbringen. Oder wenigstens den Abend.

Aber Helen kam nicht, auch nicht, als seine Hände sich längst beruhigt hatten. Thomas startete den Wagen und fuhr los.

* * *

Als er die eisenbeschlagene Tür der Railway Bar aufzog, riß er eine Wolke Rauch ins Freie, die bis zur Sättigungsgrenze mit lauwarmem Bierdunst und hallenden Männerstimmen angereichert war. Verspätete schwere Tropfen schlugen senk­recht durch diese Wolke und hinterließen Einschußkanäle mit samtigen Rändern, die sich sofort wieder schloßen, bis eine verirrte Bö das zittrige Gespinst vertrieb, während das Ge­witter längst weitergezogen war und jetzt jenseits des Dorfes auf Feldern und Wiesen niederging.

Erleichtert tauchte Thomas in das trübe Halbdunkel, in den Kokon aus Gerüchen und Geräuschen, aus dem einzelne Stimm­fäden sich lösten, die ihn etwas scheu, aber freundlich begrüßten, den Witwer, wie er sich einen Weg bahnte zur Theke.

Der alte McDermott brach mitten in einem Satz ab und mach­te unaufgefordert Platz, als er Thomas entdeckte. Mit einem kurzen Nicken bedankte sich Thomas und klopfte zur Begrüßung mit der flachen Hand auf die stählerne Theke.

„Thomas“, sagte Bill, der Wirt, und polierte weiter Gläser.

„Bill“, sagte Thomas, „einen Doppelten. Wo ist denn Maggie?“

„Hinten in der Küche.“

Aus einer Schar penibel aufgereihter Gläser nahm Bill eines willkürlich heraus, prüfte es noch einmal unter Licht und stellte es vor Thomas auf die Theke. Aus einer fast vollen Flasche goß er das Glas bis über die Hälfte voll.

„Laß die Flasche hier“, unterbrach Thomas ihn, als Bill den Whiskey zurück ins Regal stellen wollte.

„Wie du meinst“, antwortete Bill gleichgültig. Aber Thomas spürte, wie ein besorgter Blick ihn kurz streifte.

„Keine Angst, Bill, ich zahle schon“, sagte Thomas leicht gereizt.

„Das weiß ich“, gab Bill zurück, „aber du trinkst eine ganze Menge in letzter Zeit. Zu viel, wenn du mich fragst.“

„Dich fragt aber keiner“, sagte Thomas und nahm die Flasche und das Glas.

„Du mußt es wissen“, sagte Bill und zuckte mit den Achseln.

Ohne Bill weiter zu beachten, nahm Thomas die Flasche und das Glas und ging durch den langgezogenen Raum. Wer ihn rechtzeitig entdeckte, machte mit einem verlegenen Lächeln Platz. Alle anderen, die er mit sanftem Druck zur Seite schob, entschuldigten sich kurz, ohne ihn anzusehen, und nahmen erst nach einer Pause das Gespräch wieder auf. Am anderen Ende des Raums, das von einem Billardtisch beherrscht wurde, setzte Thomas sich auf eine Fensterbank und goß das Glas ganz voll. Hastig trank er einen großen Schluck. Spieler mit ihren Queues in den Händen umstanden das leuchtend grüne Rechteck und rätselten in sich versunken über den Weg, den die weiße Kugel zu nehmen hatte für den Erfolg. Wenn es einem gelang, die Kugel auf eine unvorhersehbare Bahn zu schicken, über mehrere Bande ans Ziel, wenn die weiße die schwarze nur knapp verfehlte, dafür eine grüne oder rote so präzise traf, daß sie lautlos in das Netz an den Ecken oder in der Mitte fiel, murmelten sie anerkennend und versanken sofort wieder in ihre Konzentration, die jede neu entstandene Unordnung der glänzenden Kugeln von ihnen forderte. Wer an der Reihe war, hielt mit seinem Queue die vergnügten Trinker im vorderen Teil der Schankstube auf Distanz. Nur Thomas und ein Unbekannter, der den Geldspielautomaten an der Wand immer wieder mit silbernen Münzen fütterte, leisteten den Billardspielern Gesellschaft. Und in der gegenüber­liegenden Ecke saß Dylan, das erwachsene Kind mit den großen Händen und den leeren Augen, und beobachtete den einsamen Spieler am Automaten mit immer offenem Mund, aus dem dünne Speichelfäden liefen über das Kinn.

Als der Automat dem Drängen des Spielers endlich unterlag und alle Münzen wieder zurückgab als Hauptgewinn, wahrscheinlich viel mehr, als er verspielt hatte, weil er mit beiden Händen das Geld in die Hosentaschen schaufelte, daß die sich dick beulten, da lachte Dylan laut auf und klatschte voll neidloser Freude in die Hände und schaukelte wild vor und zurück. Die eine Münze, die der Unbekannte hatte fallen lassen beim Verstauen des unerwarteten Schatzes, hob er mit einer schnellen Bewegung auf und warf sie Dylan zu, der sie mit der blitzartigen Gewandtheit eines träge dösenden Tieres fing, das Beute in seiner Nähe wittert oder Gefahr. Glücklich grinste der Junge das Metallstück an, und als der Fremde ging, stand er auf und folgte ihm mit seinen schleppenden Schritten wie ein zahmes, zutrauliches Haustier, das nicht vergißt, wer gut zu ihm war. Als er Thomas entdeckte, ließ er den Wohltäter ziehen und blieb stehen vor dem vertrauten Gesicht.

„Guck mal, Thomas“, sagte er mit seiner monotonen Stimme, die alle Kraft verbrauchte beim Sprechen. „Geld. Ich kauf mir was.“

„Steck das Geld weg, Dylan, und setz dich zu mir“, antwortete Thomas, „ich gebe dir einen aus.“

„Wirklich? O ja! Ja!“

Dylan lehnte sich gegen den Heizkörper neben dem Fenster. Eine Hand hielt fest die Münze umklammert, die andere hatte er unter die Achsel geklemmt. Unablässig schaukelte er seinen Oberkörper vor und zurück. Als Thomas zurückkam mit einer Flasche Apfelsaft und einem Strohhalm, kein Glas hatte Maggie gesagt, das läßt er fallen, die Flasche, das ist egal, saß Dylan da mit weit offenen Augen, versunken in ein Glück, das nur er kannte, sein Kinn glänzte vor lauter Speichel, ein Lächeln auf den Lippen mal grausam blöd, dann wieder unschuldig und vertrauensselig wie ein Neugeborenes. Thomas trank einen großen Schluck, goß nach und trank, bis die Billardspieler mit den stumpfen Enden ihrer Queues auch das Gelächter um die Theke in Schach hielten.

„Mutter ist nicht mehr da“, sagte Dylan zu dem Sägemehl am Boden, „sie schläft in einem schwarzen Bett in der Kirche. Mavis sagt, Mutter ist müde.“

„Ich habe es gehört“, sagte Thomas, glücklicher Idiot weißt nichts vom Tod nichts von dem dunklen Loch in das wir gelassen werden am Ende nichts von dem dunklen Loch aus dem wir kommen dir ist ein Tag wie der andere Zeit hat keine Bedeutung für dich eine Minute eine Stunde ein Tag alles stürzt in die unendliche Gegenwart des Vergessens in schmerzlose Erinnerungslosigkeit wir anderen wissen vom Anfang wir wissen vom Ende vor allem das Ende wir kennen das dunkle Loch das auf uns wartet am Ende das nur darauf wartet ausgehoben zu werden darum wollen wir zurück in das dunkle Loch in dem alles anfängt gleichgültig welches ob das von Helen oder ein anderes was macht das aus der trostlose Leib einer billigen Hure tauscht erregungslos seine Zeit gegen unerhebliches Geld fünfzehn zwanzig Minuten in denen ihr Körper unaufhaltsam verfällt unter mir gleitmittelgesalbt stoßen wir vor zu den jämmerlich flüchtigen Ekstasen der Wollust warum also Helen aber ich

II

Ich sah sein Auto schon von weitem, als ich um die Kurve kam, wo der Fluß ein Stück der Straße weggerissen hatte, er hatte Rot und mußte warten, Gott sei Dank, jetzt mußte ich nicht raus in das Haus, obwohl ich mich angekündigt hatte mit einem abschließenden Vielleicht, Hallo hier ist Helen, und da wurde die Krähenstimme des Alten freundlicher, Ach Helen, schön, daß sie anrufen, wie geht es ihnen, keine Fragen nach Thomas, ja nicht, dem Kind, ja dem Kind geht es gut, es weiß ja nichts von allem, schön, daß sie mal wieder kommen wollen, dann werden sie sehen, daß er gewachsen ist, und ich hörte die Augen leuchten durch das Telefon, der Stolz des Großvaters, natürlich.

Solange die Ampel auf Rot stand, konnte er mir nicht davon­fahren, so wie er mir gestern einfach davongelaufen war vor meiner Tür, darum gab ich Gas und schaltete das Licht ein, weil an dieser Stelle, wo die Straße nur noch eine Spur breit war, die Hälfte des pflaumenfarbenen Himmels herausgerissen war von dem Berg auf der anderen Seite des Flusses, es warwieder später geworden, als ich geplant hatte.

Ich bremste neben ihm und kurbelte das Fenster runter, meine Hände zitterten, warum? Durch das geschlossene Seitenfenster seines Wagens sah er mich an, als sähe er mich das erste Mal. Erst als der Wagen hinter mir stand und sein Licht mich blendete im Rückspiegel, da öffnete er sein Fenster und sagte, du blockierst die Straße, ja natürlich blockierte ich die Straße, aber du verdammter Idiot, was soll das denn, dachte ich, der hat es nicht eilig, sonst hätte ich ihn nicht abgehängt auf dem kurzen Stück.

Wir fahren zu mir, sagte ich und ließ ihm keine Zeit zur Antwort und gab Gas, wieso zu mir?

Wohin sonst, fragte ich mich, als Thomas saß in dem Sessel unter dem Fenster in meiner Wohnung, weißt du, wer in dem Wagen war an der Ampel? Euer Pfarrer mit seinen neugierigen Augen, der hatte es ganz bestimmt nicht eilig, denn als ich gewendet habe, ist er ganz langsam an mir vorbeigefahren, der hat doch sicher keine Eile um die Zeit? Statt einer Antwort gab er mir die Flasche Wein, Burgunder, weißer Burgunder, wo gibt es hier Burgunder zu kaufen, Montrachet?

Hier nicht, aber in der Stadt, der Verkäufer sagte, ein sehr guter Wein für den Preis, ausgezeichnetes Preis – Leistungs­verhältnis, tatsächlich, er ist extra den Weg in die Stadt gefahren, um Wein zu besorgen. Sollen wir ihn kühlen, oder lieber gleich aufmachen? Nein um Himmels willen, Montra­chet muß gekühlt werden, ja sagte er, die Flasche lag den ganzen Tag im Wagen, sie ist sicher viel zu warm, ich habe noch eine Flasche im Kühlschrank, die hole ich. Wie ein Vertreter für Damenunterwäsche saß er auf der Kante des Sessels und sah mir kein einziges Mal in die Augen.

Es ist schön geworden, sagte er mit dem Glas Wein in der Hand, nach einem unsteten Blick durch das Zimmer, er trinkt doch viel lieber Whiskey, ja sagte ich, richtig gemütlich, klein, aber gemütlich, fürs Erste genau das Rchtige, nur der Dusch­vorhang und eine Lampe für die Diele, ich kann ja mal sehen, sagte er und rutschte noch weiter an die Kante des Sessels, zum Wohl.

Warum reden Menschen nur solchen Unsinn, wenn sie einfach nur ins Bett miteinander wollen?


* * *

Ich saß auf diesem Sessel, weil ihre Augen keinen Wider­spruch duldeten, wie ein Schüler, der etwas ausgefressen hat, aber was? Den ganzen Tag hatte ich nicht an sie gedacht, weil mir der Schädel brummte, weil mir die Arbeit keine Zeit ließ, Callahan, dieser Idiot, läßt sich von einer Kuh treten, also ab ins Krankenhaus, jetzt kann ich auch noch melken und füttern, dann steht sie an der Ampel und tut, als wäre nichts gewesen. Hinter ihr kommt der Wagen von Kerrigan angeschlichen, natürlich hat der keine Eile, wieso auch, kein Kind und kein Rind, nur eine Herde willfähriger Schäflein, die jede Verspätung in Demut erdulden und halt noch einen Rosenkranz beten, kann ja nicht schaden dereinst, der Herr Pfarrer wird schon kommen, ist ja ein vielbeschäftigter Mann, und der sieht sich an, was vor seinen Augen abläuft, und was er nicht sieht, das reimt sein kleines Pfaffengehirn sich sicher zusammen, der junge O’Leary hat eine andere, kaum daß seine Frau vier Wochen unter der Erde ist. Und das Kind ist noch nicht mal getauft.

Ich rückte zurück von der Kante des Sessels nach dem ersten Glas Wein, Montrachet, Donnerwetter, sagte sie, unbeein­druckt vom Preis, den ich ihr nicht verriet, bist du wirklich extra in die Stadt gefahren, um Wein zu besorgen? Für mich? Dann lief sie nicht mehr herum wie ein zu groß geratenes Küken, sondern brachte die Flasche in den Kühlschrank, der braucht eigentlich noch ein paar Jahre, in ein paar Jahren schmeckt der noch viel besser als jetzt, den trinken wir dann. Noch Jahre?

Hier, Soave, kein Vergleich, aber trinkbar, sagte sie. Hatte sich schick gemacht, Vater sagte, Helen hat angerufen, Grüße an alle und das Kind, ja das wolle sie sehen, ob es denn wächst und viel schreit, nicht schick, das ist das falsche Wort, elegant, was paßt eigentlich alles in die zwei Koffer, mit denen sie angekommen ist?

Dann saßen wir uns gegenüber, tranken Wein, zu weit entfernt voneinander für alles, bis Helen sagte, ich bin ganz blöd vor Aufregung, wie eine Sechzehnjährige vor dem ersten Ren­dez­vous, warum bist du gestern davongelaufen, ihr Gesicht glühte von dem Wein, wir waren doch schon im Bett miteinander, es war doch kein Opfer, wir wollten es beide, diese verdammten Sessel sind zu weit auseinander, ich hätte ein Sofa kaufen sollen, dann wäre es einfacher, du könntest ganz absichtslos deinen Arm um mich legen oder mein Knie streifen, ich würde dem nicht widersprechen, nicht wegrücken, sondern ein klein wenig näher, du weißt schon, wildes Geknutsche bei Kerzenlicht, romantische Gitarrenmusik ganz leise, du schiebst ein Bein zwischen meine Schenkel, dann ziehst du die Bluse hoch, suchst nach dem Verschluß des BH und so weiter, soll ich Musik anmachen, aber Kerzen habe ich keine?


* * *

Er kam auf mich zu ganz langsam, ich hatte die ganze Zeit geredet, er hörte nur zu und trank, dann fing er zu grinsen an, was soll das, wieso grinst er?, dachte ich, sag doch mal was, aber Worte sind nicht seine Sache, das wußte ich mittlerweile, kein Kitzeln mit Worten, auf Schmeicheleien und Liebesschwüre werde ich wohl verzichten müssen bei dir. Liebesschwüre? Ich dachte nicht an Liebe, als er vor mir stand und nicht mehr grinste, sondern überlegte nur, hebt er mich hoch und trägt mich ins Bett, was für ein Kitsch, schmalzige Geigen im Hintergrund, weiße Bänder überall, ich schmiege meinen Kopf an seine starke Schulter, Trommelwirbel, wenn er mich aufs Bett wirft, Schnitt. Oder sollte ich aufstehen und was dann?

Dann kniete er nieder, wirklich, er kniete, ich wollte schon lachen, betest du mich jetzt an, aber er war wieder so ernst wie beim ersten Mal, darum lachte ich nicht, er schob seine Hände unter meinen Rock, ganz langsam, ich hob meinen Po und er zog mir den Slip aus, ich wollte die Schuhe fallen lassen, weil der Bund sich verhakte an den Absätzen, er sagte nein, laß die Schuhe an und nahm den einen, der schon am Boden lag und streifte ihn wieder über den Fuß, ich mag das mit deinen Schuhen, was finden Männer an hochhackigen Schuhen eigentlich so geil?

Dann schob er mir den Rock hoch bis beinahe über die Hüften und legte meine Beine über die Sessellehnen, da lag ich nackt und offen vor ihm, und er starrte auf den dreieckigen Kontinent zwischen meinen Beinen. So ungefähr muß Columbus ausgesehen haben, als er Amerika entdeckte, dachte ich, und mußte lachen, das Meer meiner weißen, puritanischen, angelsächsischen Haut kräuselte sich sanft unter dem Wind seiner Hände und der Temperatur seines Blicks, Wieso lachst du?

Das Steingrau seiner Augen gerann für einen Moment zu sprödem Marmor, nichts, es ist nichts, du siehst nur aus wie Columbus, der gerade Amerika entdeckt hat.

* * *

Wieso Columbus?, wenn schon, dann Adam, der Eva entdeckt, glücklich aus dem Paradies vertrieben sie beide, aber Columbus, warum nicht, wenn er Amerika immer wieder entdecken kann, jeden Tag, was unterscheidet das Begehren vom Hunger? Ihre Augen gaben keine Antwort, du hast die Augen geschlossen, sieh mich an, nicht Adam, nicht Columbus, aber wer dann?

Warum läßt du mich warten, Thomas, nimm dir die Früchte, sie sind nicht verboten, wir sind erwachsen, wer soll uns hindern, glücklich zu sein ohne Dauer, ohne Versprechen und Liebesschwüre für diesen einen unendlichen Moment, in dem der Leib sich auflöst in Lust?

Ich öffnete die Augen, seine Hände strichen auf der Innenseite meiner Schenkel entlang, ganz langsam und sanft. Ich nahm seinen Kopf in meine Hände, sein Haar knirschte wie trockener Sand, und zog ihn in meinen Schoß, eine unendliche Welle obszöner Worte schoß mir durch den Kopf, aber welche Worte könnten beschreiben, was Lust ist?

Ich sah ihm zu, wie seine Zunge eindrang in mich, wie sie sich bemühte um mich, vielleicht hast du Rachel doch glücklich gemacht mit der Geduld deiner Hände und deiner geschmeidigen Zunge, sie hat sich nie beklagt über dich, nein Thomas arbeitet viel, aber oft ist er lustig, dann lachen wir zusammen, und zärtlich ja zärtlich ist er schon, immer ein wenig einsilbig und fadendünn ihre Stimme bei diesem Thema. Ich wollte seine Zärtlichkeit sehen, aber trotz geöffneter Augen sah ich nichts, weil seine Zunge meine Lust lockte hinter die Augen, das merkte ich erst, als meine Schenkel mich schmerz­ten, nein nicht weil Thomas mich wieder grob gepackt hätte, nein, sondern weil

ihr Körper sich bäumte mit einer unbekannten Kraft, der ich nicht gewachsen war, sie entglitt mir und meinem Ehrgeiz und lag erschöpft auf dem Sessel und atmete heftig, ihre Augen sahen zur Decke und ihre Schenkel zitterten, Was machst du, du machst mich wahnsinnig, das Blut zog sich nur langsam zurück aus ihrem Gesicht. Keine Fragen mehr, sondern nur noch ihr Körper, der sich krümmte und mein Gesicht auf ihrem Bauch, ich hörte den dunklen Schlag ihres Herzens, dieses wilde Rasen, und schmeckte sie an den Lippen, der bitter – salzige Geschmack ihrer Scham an der Zunge. Ich wartete, bis das Beben ihres Kraternabels nachließ, dann blies ich über ihren Bauch, daß der Kinderflaum sich aufrichtete, Was machst du, fragte sie und lachte, sie packte meinen Kopf und zog ihn auf ihre Brust, ihre Augen sind so schattenlos blau wie der Himmel am Mittag eines Sommertags, wenn die Sonne im Zenit steht und keiner sich vorstellen kann, daß sie jemals wieder verschwindet.

Ich empfand Dankbarkeit, Thomas, ich danke dir für die Geduld deines Leibes und die Ausdauer deiner Zunge, die mich so schwerelos gemacht hat, er sah mich nur blöd an, ja Dankbarkeit, was wäre eigentlich, wenn Rachel noch lebte, säßen wir drei jetzt um einen Tisch, müde vom Abendbrot, Teller abgeräumt, noch ein Glas Wein? Oder Whiskey? Ein Auge, ein Ohr immer am Körbchen beim Kind? Unverbind­liches Geplauder, kein loses Wort? Ich behielt meine Gedanken für mich, sondern sagte, laß mich, ich möchte dich belohnen, ich möchte dein Drängen in Lust verwandeln, deine Hose ist ja viel zu eng. Ja, sie ist zu eng, zieh dich aus, du auch, er rollte auf den Boden und sah mir zu, wie ich den Reißverschluß meines Rocks öffnete, meine Bluse, den BH fallen ließ, nein nicht die Schuhe, natürlich die Schuhe, bleib noch einen Moment so.

Sein Lächeln scheuchte die Kinderangst um die Ecke, warst du auch brav, die Oma im Himmel sieht alles, wie lächerlich, Rachel ist tot, tot, tot, sie schaut von nirgendwo herab, sie liegt unter der Erde, wer glaubt denn heute noch an einen Himmel oder eine Hölle, an ein Leben nach dem Tod oder die Auferstehung?

Meine Nacktheit spiegelte sich in seinem Gesicht, mein Gott, reines Gefallen, das Mysterium der Nacktheit, fassungsloses Staunen umrundet fiebernde Spannung, dieser unfaßbare Glanz seiner Augen im letzten Abendlicht, ich machte Licht und setzte mich auf die Lehne des Sessels, noch nie hat ein Mann mich so angesehen wie du.

Die ganze Zeit hielt ich meinen Penis fest, weil ich mir so lächerlich vorkam mit diesem aufgepflanzten Bajonett, sie saß auf der Lehne des Sessels erst etwas verkrampft, ihre Nasenflügel zitterten leicht, die Arme hatte sie verschränkt über ihren Brüsten, doch dann lehnte sie sich zurück und stützte sich ab mit beiden Armen. Im Vergleich zum Körper einer Frau ist der Mann nicht mehr als ein behaarter Halbaffe, ihre Scham klaffte glänzend zwischen ihren Beinen, ihre Brüste hingen leicht über ihrem Bauch, die Brustwarzen standen dun­kel und hart hervor, nachdem mein Blick sie berührt hatte.

Komm her, auf mich rauf, sagte er, und ich erschrak ein wenig und sagte Nicht heute, Thomas, du weißt schon, und er nickte, als er verstanden hatte. Ich schlüpfte aus einem Schuh und streifte mit meinem großen Zeh über seinen Schenkel bis hinauf zu seinem Penis, den er auffällig unabsichtlich mit beiden Händen bedeckte. Du bist schamhaft wie eine alte Jungfer, nein bin ich nicht, sagte er und grinste, es sieht nur so komisch aus. Mit dem Zeh drängte ich die Hände auseinander und streichelte ihn, bis meine Erregung sich als schleimige Pfütze in meinem Schoß sammelte, daß ich glaubte, den Verstand zu verlieren. Dann kniete ich nieder und nahm ihn in den Mund.

Ihre Augen waren verhangen wovon? als sie aufblickte, ihr Spiel von Lippen und Zunge beendete, das Sperma lief ihr zu beiden Seiten aus dem Mund und tropfte auf ihre Brüste ich kann das Zeug nicht schlucken, sagte sie, da zog ich sie zu mir und küßte sie, Samen auf deinen Lippen schmeckt nach gar nichts, sie rollte auf die Seite, ein Grinsen klärte Augen und Gesicht, dieser Scheißteppich ist ganz schön hart und kratzig, die Verkäuferin sagte, Kokos, reine Natur, strapazierfähig, aber nichts für mich, meine Knie, komm mit ins Bett, du nimmst den Wein, ich hole den Käse, ich habe einen Hunger, das glaubst du nicht. Und rauchen würde ich auch gerne eine. Warum redest du so viel, fragte ich und verrieb meinen Samen auf ihren Brüsten, ich weiß nicht, rede ich viel?

Im Bett rückte ich zur Seite, als sie kam mit einem Brettchen und dem Käse, das Messer steckte im Käse und wippte beim Gehen wie ihre Brüste, ich hätte besser ein breiteres Bett gekauft, aber wer konnte denn ahnen?, der Käse war alt und krümelig und kleine Stückchen fielen zwischen ihren Brüsten in ihren Schoß, bist du so hungrig? Meine Hand zupfte aus dem Haar zwischen ihren Beinen Käse, die schmecken ganz besonders gut, glaub mir, sagte sie, woran erinnert mich der Schimmer getrockneten Samens in ihren Mundwinkeln?, dann schob ich noch ein großes Stück in den Mund, beim Kauen schlingerte das Brettchen auf ihren Schenkeln wie ein Kahn ohne Kiel, du mußt mich gleich noch einmal lieben, ja?

Wenn du meinst, gönnerhaft, ich schob die Hand etwas tiefer, nicht, noch nicht, das kitzelt, laß mich erst essen und trinken, wieso rauchst du eigentlich nicht, irgendwo habe ich Zigaretten, laß mich mal sehen, das Brettchen landete in meinem Schoß, sie sprang aus dem Bett, ich bewunderte die perfekte Rundung ihrer Pobacken, die sie mir entgegenreckte, weil sie warum auch immer ihre Zigaretten auf dem Boden bei einem Stapel Zeitungen vermutete, ihre Brüste schrammten haarscharf an messerscharfen Zeitungsseiten vorbei, paß auf, sonst schneidest du dich, es wäre schade drum.

Was soll schade sein?, da sind sie ja, siehst du ich wußte doch daß ich noch welche habe, was starrst du auf meinen Po, gefällt dir das, wenn du von hinten in mich reinschauen kannst? Wieso habe ich ihn eigentlich eben gefragt, ob er mich noch einmal liebt? Was hat das mit Liebe zu tun, was wir hier treiben? Wir sind erwachsene Menschen und

und das Bett schaukelte diesmal wie eine Fähre in stürmischer See, als sie in die Kissen fiel, was ist das eigentlich für ein Bett, die Matratze ist ja total durchgelegen, das kann doch nicht neu sein

ist es auch nicht, das habe ich von dem Vormieter, der war auch bei Stairways und wollte zurück in die Staaten, was sollte der mit dem Bett, also habe ich es ihm abgekauft, die Matratze ist durchgelegen, ich weiß, aber ich dachte für den Anfang, wer weiß ob ich in dieser Wohnung bleibe, bleibst du eigentlich hier heute nacht?

Hm, sagte ich durch den Rauch ihrer Zigarette, darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht, dabei hatte ich schon die ganze Zeit überlegt, sollte ich bleiben, was wäre, wenn ich schon die zweite Nacht nicht nach Hause käme, gestern die Nacht im Wagen hat mir jeder angesehen, aber heute, und Callahan ist noch zwei Wochen im Krankenhaus, also um fünf Uhr in den Stall, dann raus aufs Feld, ich muß sehr früh raus, weißt du, wegen Callahan, wenn dich das nicht stört. Na ist ja egal, sagte sie, irgend etwas in ihrer Stimme hatte sich verändert, aber vorher machen wir es noch mal, jetzt gleich? Na meinetwegen, ganz cool. Dann wußte ich, woran mich das getrocknete Sperma erinnerte. Hatte der getrocknete Eiter in Rachels Mundwinkeln nicht ganz genauso ausgesehen auf ihrem Totenbett?

„Putz dir zuerst den Mund ab.“

„Wieso?“

* * *

Ich hörte dich nicht, als du gingst, aber einmal wurde ich wach, weil ich mich an etwas Weichem gestoßen hatte, und da erschrak ich, sofort war ich hellwach, aber es war nur dein Arm, du lagst neben mir, warst also nicht gegangen, und ich hatte es nicht bemerkt, weil ich sofort eingeschlafen war, nachdem wir uns noch einmal geliebt hatten, in deinen Armen bin ich eingeschlafen, und als ich sah, daß du neben mir lagst, war ich glücklich, ja ich war glücklich über deinen Körper neben mir. Du schliefst ganz friedlich, das Haar wirr wie immer, das Mondlicht reichte gerade soweit um die Ecke des Giebels, daß ich dein Gesicht sehen konnte, aus dem der trotzige Ausdruck verschwunden war, weißt du wie ein trotziger Junge siehst du immer aus, aber genau das ist es, was ich an dir mag, weil du nicht immer trotzig aussiehst, wenn du schläfst nicht, und nicht, wenn mein Körper deine Augen zum Glänzen bringt wie gestern Abend, als wir uns zweimal liebten, aber wie ein Junge sahst du da aus, der das erste Mal eine nackte Frau sieht, du ahnst nicht, welch herrliches Gefühl das ist. Die nervöse Schönheit ganz junger Dinger mit ihren festen Brüsten und ihren straffen Hüften, wie traurig ist sie dagegen, kennen die Begeisterung über ihre Schönheit doch nur aus dem Spiegel, haben sie nie von den Augen eines Mannes abgelesen. Aber was wißt ihr Männer von Frauen? Was wißt ihr von unserer Angst vor dem Alter, was weißt du davon? Kannst du dir vorstellen, welches Gefühl das ist, wenn einen die Ahnung streift wie ein kalter Nachthauch, daß der Kredit der Natur langsam, aber unaufhörlich zur Neige geht, wenn das Alter vor der Tür lauert, ganz begierig, sein Zer-störungswerk zu beginnen, und nicht damit aufzuhören, bis nur noch Schönheitschirurgen und Altenheimbetreiber sich für uns interessieren. Alles, was uns dann bleibt, ist ein Tanztee zu vorgezogener Stunde, das Alter, man geht immer früher zu Bett, also den Fünf-Uhr-Tee mit Kapelle um vier oder besser um drei, tangotanzend mit einem sabbernden Greis, der schon so hinfällig ist, daß trotz seines Geldes keine Junge mehr hinsieht. Und manchmal blitzt in den Augen dieses traurigen Tanzpaares die Erinnerung auf, daß es etwas gab zwischen den Geschlechtern, das mehr war als zittrige Schritte steifhüftiger Alter, dem Takt der Musik rettungslos hinterher. Mühsam kramen sie dann in ihren porösen Gehirnen und finden nur Worte, die ihnen nichts mehr sagen, aber mit einem müden Lachen lügen sie sich vor, Ach ja, damals . . . !

Wie lange soll ich heute auf dich warten? Warum stehst du heute nicht vor meiner Tür mit einem schiefen Lächeln, Hallo, da bin ich, ich war ganz zufällig in der Nähe? Oder wartest du darauf, daß ich mich auf den Weg mache, das Kind besichtigen, um den Vater zu sehen?

* * *

Wie Seamus das Folgende sieht

Ohne daß es so vereinbart worden wäre, hatten alle für sich beschlossen, daß über den Vorfall in jener Nacht nichts nach außen dringen sollte. Und da auch Thomas kein Wort mehr darüber verlor, verhielten sich alle so, als wäre nichts gesche­hen und die Wunde an Thomas‘ Hinterkopf die Folge eines Treppensturzes nach einer durchzechten Nacht.

Ich besuchte ihn jeden Tag. Jedes Mal, wenn ich ins Zimmer kam, saß Thomas am Bett seines Vaters und starrte stumm auf dessen ausdrucksloses Gesicht oder sah in den Garten, wo wilde Herbstwinde die letzten Reste des Laubs über die Wege trieben. Dann setzte ich mich jedes Mal dazu, und wir verbrachten die Stunden schweigend, weil alles gesagt war, und dem nichts hinzugefügt werden konnte. Am vierten Tag, als ich den Kopf durch die Tür steckte, war Thomas verschwunden. Sein Bett stand frisch und neu bezogen rechts neben der Tür. Nur der alte O’Leary lag noch in der Ecke neben dem Fenster, und als ich ihn nach Thomas fragte, drückte er mir nur die Hand, und da erst erinnerte ich mich, daß der zweite Schlaganfall sein Sprachzentrum getroffen hatte.

Am Eingang erfuhr ich, daß Thomas mitten in der Nacht gegangen war, und niemand ihn hatte aufhalten können. Wie ich es mir gedacht hatte, fand ich ihn am Grab von Helen, wo er trotz der Nässe auf dem Boden kauerte. Nur mit Mühe gelang es mir, ihn dazu zu bewegen, mit ins Haus zu kommen. Als ich ihn fragte, ob ich etwas für ihn tun könnte, einkaufen oder kochen oder was auch immer, schüttelte er den Kopf, Nein danke, er könne schon für sich sorgen, und es gehe ihm auch gut, nur das bißchen Kopfschmerz, aber das könne er ertragen. Und als ich ihm meine Hilfe geradezu aufdrängen wollte, da wurde er trotzig, Nein, ich solle ihn jetzt endlich in Ruhe lassen. Das habe ich dann auch getan. Die ganzen achtzehn Jahre seit diesem denkwürdigen Herbst haben wir uns nur ein oder zwei Mal im Jahr gesehen, zu den Geburtstagen, wo wir uns immer gratulierten, freundlich, aber jedes Jahr etwas steifer, förmlicher und fremder.

Von Beth wußte ich, daß er sich in die Arbeit gestürzt hatte wie nie zuvor. Benjamin ließ er es an nichts fehlen, aber sonst kümmerte er sich nicht um seinen Sohn. Jedes Mal, wenn ich zu seinem Haus fuhr, und in den ersten Jahren war ich häufiger dort, weil ich die Hoffnung hatte, daß es doch einen Faden gab, an den anzuknüpfen sich lohnte, jedes Mal also, wenn ich da war, sah ich, wie gepflegt Helens Grab war, immer mit frischen Blumen geschmückt und nicht die Spur von Unkraut auf der sauber geharkten Erde. Die Blumen für Helens Grab, das war so ziemlich der einzige Luxus in seinem Leben.

Nach ein paar Jahren gab ich es auf, nach dem Faden zu suchen, der mich zu Thomas geführt hätte. Manchmal, wenn wir uns auf der Straße trafen, grüßten wir uns wie zwei entfernte Bekannte, dann standen wir ein bißchen schweigend herum, wichen dem Blick des Anderen aus, während unsere Hirne krampfhaft nach einem Gesprächsstoff suchten, den es aber nicht gab. Wie ich jetzt weiß, lebte er die ganzen Jahre zufrieden, auf seine Art, weil er ein Ziel gefunden hatte, das ihn aufrecht hielt. Die einzige Person, die er ins Haus ließ, war Beth, die sich etwas um ihn gekümmert hat vor allem in den letzten Jahren. Sie hat ihn auch gefunden, wie er tot am Küchentisch saß, in einer Hand ein leeres Whiskeyglas, die leere Flasche am Boden zu seinen Füßen. Beth sagt, zuerst sei sie erschrocken, dann habe sie sein Gesicht, das Gesicht des toten Thomas gesehen, und da wurde ihr klar, daß das Ende keinen Schrecken hatte für ihn. Denn nie im Leben habe er so glücklich ausgesehen wie im Tod.

* * *

Wie sich herausstellte, hatte Thomas seine eigene Beer­digung bis ins letzte Detail geplant. Alle Verfügungen waren in seinem Testament geregelt, das er vor beinahe 18 Jahren ver­faßt hatte, nur zwei Wochen, nachdem wir Helen ein zweites Mal be­erdigt hatten.

So kommt es, daß wir Thomas heute morgen zu Grabe trugen, in einem schlichten Eichensarg, wie er es gewünscht hatte, und ohne Pfarrer, wie er ausdrücklich bestimmt hatte. Nur Beth und Benjamin und ich folgten dem Sarg, und ein paar Leute, die mehr durch Zufall von Thomas‘ Tod erfahren hatten, weil sie gerade wegen irgendwelcher geschäftlicher Angele­genheiten anriefen oder auf dem Hof vorbeikamen. Und natürlich die vier Männer in speckigen, schwarzen Anzügen, die das Beerdigungsunternehmen geschickt hatte.

Seine Mutter überließen wir für diese Stunde der Aufsicht einer Pflegerin, die wir aus Dublin kommen ließen. Er hatte seine Mutter nicht erwähnt in seinem Testament, vermutlich weil er davon ausgegangen ist, sie zu überleben. Ich bin mir aber sicher, daß er unsere Entscheidung gebilligt hätte, die Alte nicht an sein Grab zu bringen.

Im Testament hatte Thomas gewünscht, daß ich ein paar Sätze spreche an seinem Sarg. Anderthalb Tage habe ich nach den passenden Worten gesucht, ohne daß mir etwas eingefallen ist, was Thomas gerecht geworden wäre. Schließlich hatte ich einige Sätze aufgeschrieben, dürre Worte, Über den Tod läßt sich nichts sagen, er ist die letzte und einsamste Erfahrung eines Menschen, die er buchstäblich mit ins Grab nimmt, und an dieser Stelle legte ich mein Manuskript beiseite, weil ich plötzlich wußte, was ich sagen mußte, ich weiß, du hast den Tod nicht gesucht, aber du hast auf ihn gewartet. Du hast auf ihn gewartet seit jenem Jahr, in dem das Unglück Einzug hielt in dein Leben, zuerst Rachel, die Unglückliche, dann Helen, die nicht weniger Unglückliche, du hast auf ihn gewartet, denn es war dir nicht vergönnt, das Glück im Leben zu erfahren bis auf jenen viel zu kurzen Sommer, jenes Glück, das die Zeit stillstellt durch die Liebe und damit den Tod besiegt, solange, bis die Liebenden lebenssatt und ohne Überdruß und Kummer hinübergehen in jenes andere Reich, von dem wir nichts wissen, von dem wir zum Glück nichts wissen, denn nur so konntest du, Thomas, den Tod besiegen, indem du ihm getrotzt hast, über das Ende von Helen und dein eigenes Ende hinaus. Wir verneigen uns vor deiner Liebe und deiner verzweifelten Hoffnung, jener Liebe, von der wir Lebenden alle träumen, und jener Hoffnung, die uns so unwahrscheinlich erscheint wie kaum etwas anderes in dieser Welt. Aber selbst wenn wir nicht an die Liebe glauben und nicht an die Hoffnung, so kannst du von uns Unglücklichen zumindest erwarten, daß wir deinen letzten Wunsch respektieren.

Es war Benjamin, der lächelte bei diesen Worten, vielleicht hat er tatsächlich verstanden, was seinen Vater bewegte, wer dieser Mann war, den er zu Grabe trug, ohne ihn je richtig gekannt zu haben.

Dann gab ich den Männern ein Zeichen, und routiniert ließen sie den Sarg in die Grube. Nachdem alle Anwesenden eine Schaufel Erde in Thomas‘ Grab geworfen hatten, gingen wir davon, vorbei am Grab von Helen, das gepflegt war wie immer. Noch kurz vor seinem Tod muß Thomas es neu bepflanzt haben, denn die Astern leuchteten in allen Farben aus frischgeharkter Erde, und um den Rosenstrauch, dessen einzige Blüte satt und rot in den graubedeckten Himmel leuchtete, war alles Unkraut fein säuberlich entfernt. Ich bin mir nicht sicher, ob Benjamin den letzten Wunsch seines Vaters verstanden hat. Vielleicht ist er dafür noch zu jung. Vielleicht muß er erst die Liebe kennenlernen, ihre Qualen und ihre Freuden. Aber vielleicht tue ich ihm unrecht. Er ist schweigsam wie sein Vater, so daß ich nie recht weiß, was ihn bewegt, was in ihm vorgeht. Er hat jedenfalls Thomas‘ letzten Wunsch, den einzigen, den er je gegenüber seinem Sohn ge­äußert hat, ohne Zögern erfüllt:

Begrabt mich so gegenüber von Helen, daß wir uns am Tage der Auferstehung als Erstes in die Augen sehen.“

– Ende –

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